Die zweite Co-Predigt aus dem Jahre 2020 zum Thema Glück. Viel Spaß!

Ich:
„Glücklich ist, wer die Bewährungsproben [der Lust] besteht und im Glauben festbleibt.“
 – Jakobus 1,12 irgendwann kurz nach anno Domini.

„Welch Glück, geliebt zu werden! Und lieben, Götter, welch ein Glück!“ – Johann Wolfgang von Goethe, spätes 18. Jahrhundert.

„Nichts altert so schnell wie das Glück.“ – Oscar Wilde, spätes 19. Jahrhundert.

„Liebe Olga64, mir geht es haargenau so! Ein Glücksmoment ist es jedes Mal, dass ich den Kaffee, den ich nur stark, schwarz und ungesüßt trinke, überhaupt noch vertrage und nicht sofort auf die Toilette rennen muss.“ – Val24 aus dem Seniorentreff-Forum, frühes 21. Jahrhundert.

Diese vier Zitate zeigen bereits, dass das Wort Glück selbst bei einem schief-gesungenen, aber doch ernstgemeinten Geburtstagsständchen für Verwirrung sorgen könnte. Während es für die eitle Tante bedeutet, dass ihre Frisur nicht in den nächsten 5 Minuten, durch die Hitze der Geburtstagstortenkerzen, wie ein Soufflé zusammensackt, kann es für den Cousin bedeuten, dass er nicht durch die mündliche Prüfung rasselt.  Für manche von euch wird es beim Glück eine eindeutige subjektive Definition geben, doch auch heutzutage kann man von mindestens drei verschiedenen Arten des Glücks reden.

Einer dieser Arten ist das Streben nach der Glückseligkeit, die Eudaimonie mit dem Prinzip „Wer wirklich glücklich sein möchte, der muss ein glückliches Leben und keinen glücklichen Moment besitzen.“.
„Eu“ bedeutet gut, „daimon“ ist ein Geisterwesen, und übertragen bedeutet das ganze so viel wie: mit einem guten Geiste verbunden zu sein. Doch ein „daimon“ muss nicht nur gutartig sein, so hat das Glück auch seine Schattenseiten. Die zweite Art des Glücks ist der Hedonismus. Er entstand durch die Frage, die sich jedem irgendwann man stellt: Was mach ich hier? Also nicht hier in der Kirche auf Zeblog, sondern eher im Sinne von „Was ist der Sinn unseres Lebens?“. Für Hedonisten war das ganz klar das Streben nach Lust- und Freudengefühlen, sowie das Auslassen von Schmerz und Leid. Der Hedonismus ist daher als kurzzeitige Lust/Glück definiert, während die Eudaimonie als Zustandslust/glück verstanden wurde.

Pfarrer:
So ähnlich versteht man in vielen Bibelstellen Glück. Tatsächlich ist das Wort für glücklich sein und selig sein – „makarios“ im Griechischen identisch. Die bekannteste Bibelstelle, in der es eine Häufung von dem Wort gibt, sind die Seligpreisungen in der Bergpredigt, die wir vorher in der Schriftlesung gehört haben. Da wird aber auch deutlich, dass selig oder glücklich zu sein, mit einem bestimmten Lebenswandel verbunden wird. Also zugespitzt und im Unterschied zum Hedonismus: Ich tue etwas für einen Menschen in Not, das kann glücklich machen oder wenn ich in Not gerate aus einem übergeordneten Ziel, beispielsweise am Reich Gottes zu arbeiten oder wegen Gott verfolgt zu werden, dann ist das mit der Verheißung Glück oder Seligkeit verbunden.

Ich:
Über die Jahrhunderte hinweg gab es immer einen Wechsel zwischen den Begrifflichkeiten. Während im frühen 18. Jahrhundert Kant die Vernunft als Glückseligkeit ansah, war Goethe ca. 50 Jahre später wieder der Überzeugung, dass es die Liebe und die Lust sei, die glückselig mache. Erst viel später wurde das Glück zum Alltagsobjekt, in dem es mit schicksalhaften Ereignissen verbunden wurde. Es ist auch eher unüblich, dass man heute jemand sagen hört „Ah, ich sehe du hast die goldene Tugend der Mäßigung gemeistert, das ist Glück.“. Es wäre eher folgender Dialog bei uns passend:

Person1: „Em Otto sein Golf hats um en Baum bretzelt und dem Kerle isch nix bassiert. Der koa selbst bsoffa subber Audofahra.

Person2: „Schwätz mer doch koin Roschd ans Moped, der Daggel hat bloß Glick keht.“.

In unserer Zeit darf das Glück als Fortuna mit der Glückseligkeit der Antike koexistieren, jedoch wird es durch materialistische Züge zu einer gefährlichen Fassade. Durch das Internet und den Drang der verzerrten Selbstdarstellung werden kontinuierlich Ideale als Standard gesetzt, die man erreichen möchte. Bevor wir diese Standards nicht erreichen, sind wir nicht glücklich. Es entsteht ein ständiger Vergleich zwischen mir und dem anderen. Was hat er, was ich nicht habe und warum? Der andere hat ein tolles Haus, warum habe ich keins? Die Antwort ist meistens simpel: Geld. Logische Schlussfolgerung ist also, dass ich mehr arbeite, um mehr Geld zu verdienen. Jetzt arbeite ich mehr und kann mir endlich ein Haus leisten. Im eigenen Haus merke ich, dass ich so viel arbeite, dass ich keine Freizeit mehr habe. Ich schaue mir daher im Internet Menschen an, die viel Reisen und nebenher irgendwie Geld verdienen. Das wäre doch schön. Die Welt sehen und Geld verdienen. Warum dürfen die das machen und ich nicht? Schon ist man in einem psychologischen Teufelskreis gefangen, den Forscher als „hedonistische Tretmühle“ bezeichnen.

Pfarrer:
Vertraut man Theologen, dann meint Glück ein gelingendes Leben. Das von Dir beschriebene Streben und die erlebte Unsicherheit im Leben zeigen aber, dass mein Leben immer gefährdet ist. Deshalb nehmen auch in den letzten Jahren die sogenannten Schwellenrituale zu. Schwellenrituale sind die Taufe, die Segnungsgottesdienste am Ende der Kitazeit und am Beginn der Schulzeit, jeder Gottesdienst vor den Ferien, überhaupt jeder Gottesdienst, der von der alten in die neue Woche führt, Konfirmationen, Trauungen, Beerdigungen. In dieser Zeit wird oft offensichtlich: Mein Leben ist gefährdet, es könnte ganz anders kommen. Glück ist nichts was immer da ist und meiner Meinung nach kann ich gar nicht meines Glückes Schmied sein, wie der Volksmund vormacht, weil ich mein Leben letztlich nicht in der Hand habe- wie wenig zeigen die Zeiten, die wir ja gerade erleben in der sich die Unsicherheit bei vielen in alle Poren des Lebens drängt und andere gleichzeitig sagen können- uns aber geht es gut. Wir sind gesund. Wir haben unser Auskommen. Wir haben Platz und können uns versorgen. Auch wo so gesprochen wird, wird ja im Wissen, dass es ganz anders sein könnte, gesprochen.

Ich:
Nach einem sehr positiven oder sehr negativen Ereignis im Leben kehrt man immer wieder zum „normalen“ Glücklichsein zurück. Ständiges Vergleichen mit anderen sorgt deswegen für konstante Unzufriedenheit. Für das Streben nach Glück könnte man deshalb auch die Allegorie des Turmbaus zu Babel nehmen. Den Himmel zu erreichen und selbst Gott werden zu wollen sorgt ausschließlich dafür, dass die Menschen sich nicht mehr verstehen und ohne gemeinsames Ziel umherirren. Ein großes Problem ist, dass wir von Anfang an nach diesem System erzogen werden. In der Schule gibt es PISA-Studien und Vergleichsarbeiten, im Studium gibt es Vergleichsnoten mit denen gezeigt wird, wie der Studierende in Bezug auf andere abgeschnitten hat. Selbst im Glücklich sein messen wir uns. Auf dem World happiness report ist Deutschland auf Platz 16. Aber wären wir glücklicher, wenn wir wüssten, dass wir in Top 10 wären? Im Buddhismus wird das Glück als Auslassung der Wertung betrachtet. Dort geht es um die Achtsamkeit: den Moment, den wir erfahren, ohne ihn zu bewerten, zu erleben. Aus „Ich stoße mit meinem Freund an, der sich heute richtig doof verhält“ wird „Ich stoße mit meinem Freund an“. Obwohl die Glücksbegriffe unterschiedlich sind, so ist das Herausnehmen der Wertung doch auch ein Grundsatz vieler Religionen, den wir in der christlichen als Nächstenliebe wiederfinden. Es macht keinen Unterschied, wie ich zu dem anderen stehe. Wenn er Hilfe benötigt, werde ich ihm helfen. Mönche, die über die altruistische Nächstenliebe meditierten, wurden untersucht und zeigten, dass die Gehirnregion, die für Glück zuständig ist, exorbitant stimuliert wurde. Glücksmomente, die von uns mit anderen geteilt werden, die sich dann für uns freuen, schütten doppelt so viele Glückshormone aus, wie der Glücksmoment selbst. Wenn wir hingegen immer mehr konsumieren, bleibt unser Glücksgefühl von diesem Faktor unberührt. Das Glück verhält sich somit ähnlich wie der Glaube. Nicht jeder findet es, es kommt von Innen und kann nicht von äußeren Einflüssen erzwungen werden, es kann überall da gefunden werden, wo unsere Ansichten mit dem Streben harmonieren und wenn wir es teilen, ist es ein viel schöneres Gefühl, wenn das geteilte Anklang in anderen findet.

Pfarrer:
So bleibt Glück doch unverfügbar und ein Geschenk. Ein Geschenk, dass wir uns nicht verdienen, auf das sich aber vorbereiten lässt. Mit dem Blick für den anderen in seiner Situation und mit der Bitte um Segen, wenn es über eine Schwelle geht. Glück auf!

Text: Daniel Engel (ZeBlog) und C. Messerschmidt
Illustration: Daniel Engel (ZeBlog) und Elissa Engel

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