Den nachfolgenden Text habe ich für eine Studentenzeitschrift zum Thema „In X Minuten“ geschrieben und er handelt von etwas wissenschaftlichen Geplänkel über die Raumzeit.
Viel Spaß!
In x Minuten kann ich y Kilometer joggen.
„Moment! “, denkst du dir jetzt bestimmt, „ich kann aber in x Minuten garantiert mehr Kilometer zurücklegen und bin damit schneller als du“. An dieser Stelle hättest du Recht und in der gleichen Zeit einen größeren Weg zurückgelegt, wodurch du mit den Minuten, die ich mit joggen „vergeudet“ habe, etwas anderes anfangen könntest. An diesem simplen Beispiel kann man trivial schildern, dass die Zeit selbst in unserem Alltag relativ für den jeweiligen Beobachter vergeht. Bin ich zuhause und esse zu Abend oder stecke ich noch im Zug fest, der Verspätung hatte und Twitter mir einen von der Seele. Doch wie ergeht es dem Universum mit der Zeit, da es eben bekannter Weise nicht nebenher mal twittern kann, damit die Zeit anders vergeht? Um das zu beantworten, müssen wir eine kleine Zeitreise an den Anfang des Textes machen und das vorherige Beispiel etwas anders formulieren.
Die spezielle und allgemeine Relativitätstheorie:
Dieses Mal stellen wir uns vor, dass bisher jeder Tag in meinem Leben „Leg Day“ war und ich so schnell wie vorstellbar joggen könnte: mit Lichtgeschwindigkeit also 299.792.458 m/s.
Davon lässt du dich aber nicht beeindrucken und denkst „Dann bestreite ich das Rennen auf einem Zug, der genau so lang wie die Rennstrecke ist und bin dann so schnell wie du plus die Geschwindigkeit des Zugs“. Normalerweise hättest du erneut Recht, jedoch nicht bei der Lichtgeschwindigkeit, denn diese ist eine Konstante, die nicht zu überbieten ist.
Wenn man diese Konstante ändern möchte, dann muss man einen anderen Faktor beeinflussen, nämlich die Zeit. Damit die Lichtgeschwindigkeit gleichbleiben aber dennoch einen größeren Weg zurücklegen kann, muss die Zeit langsamer vergehen. Man spricht von der sogenannten Zeitdilatation. Diese Dehnung der Zeit, die aufgrund der Beschleunigung entsteht, ist auch der Grund, warum für uns auf der Erde eine Uhr anders tickt als in einem stark beschleunigten Raumschiff.
Um diesen Effekt der Dehnung genauer zu verstehen, müssen wir jedoch wissen, dass Raum und Zeit in dieser Theorie nicht mehr voneinander getrennt sind und unser ganzes Universum aus einem Netz von Raumzeit besteht. Diese Struktur kann am besten mit einer Formgedächtnisflüssigkeit verglichen werden, das bedeutet, dass man eine Oberfläche wie Wasser vorfindet, solange keine Einwirkungen von außen bestehen. Befindet sich eine Masse auf der Oberfläche, dann wird diese eingewölbt, nimmt man diese Masse wieder weg, dann entsteht erneut die vorherige „glatte“ Oberfläche. Ein Planet – wie die Erde – verursacht eben einer dieser Kuhlen im Netz der Raumzeit, in die Lichtstrahlen eingelenkt und wie in einer Art Sog immer schneller beschleunigt werden. Diese Krümmung der Raumzeit ist, was wir als Gravitation oder Erdanziehungskraft kennen und wahrnehmen. Da die Ablenkung im Zentrum der Kuhle stärker ist als im äußeren Bereich, wird das Licht dort mehr beschleunigt. Also umso schwächer das Gravitationsfeld wird, desto schneller vergeht die Zeit im Vergleich zum Mittelpunkt des Gravitationsfeldes. Extrembeispiele hierfür wäre der Mittelpunkt des Universums und schwarze Löcher.
Ein schwarzes Loch besitzt nämlich so viel Masse, dass die Krümmung der Raumzeit ins Unendliche fällt und das Licht nicht nur abgelenkt, sondern komplett in dieser endlosen Vertiefung verschwindet. Dies führte zur Überlegung, dass die Zeit in einem schwarzen Loch für einen Beobachter irgendwann stillsteht.
Jetzt wirst du dir wahrscheinlich denken: „Okay, schön und gut, jetzt weiß ich, dass das Universum aus Raumzeit besteht und dass es nicht twittern kann, aber was haben schwarze Löcher, Mittelpunkt des Universums, Raumzeit mit mir und meinem Leben zu tun?“.
Lass uns an diesem Punkt nochmal schnell zusammenfassen was wir bisher aus der Relativitätstheorie erfahren haben:
1. Für ein System mit höherer Geschwindigkeit vergeht die Zeit langsamer.
2. Aufgrund des Krümmungsfaktor des Raumes in Bezug auf die Masse wird die Zeit im Gravitationsmittelpunkt stärker gedehnt.
Ist das nicht Zeitverschwendung?
So weit so gut. Wenn wir uns nun vorstellen, das GPS-Satelliten, die sich sowohl schnell bewegen als auch weiter vom Gravitationsmittelpunkt entfernt sind, die gleiche Uhr wie wir auf der Erde benutzen würden, dann entstünden durch die relativistischen Effekte Messfehler. Dieser Messfehler betrüge erst nur wenige Meter, aber umso länger das Navigationssystem läuft, desto mehr Differenz entstünde. Das Navi würde unsere Position daher innerhalb weniger Stunden ein paar Kilometer abseits von der eigentlichen Stelle anzeigen. Das mag jetzt erstmal trivial klingen, jedoch sind schon heutzutage sehr viele Autofahrer maßlos überfordert, wenn ein Navigationssystem 10m zu früh signalisiert, dass sie abbiegen müssen.
Wenn ihr also das nächste Mal euer Navigationssystem im Auto nutzt, denkt doch einfach mal daran, dass ihr ohne die Relativitätstheorie vermutlich immer noch anhalten und nach dem Weg fragen müsstet. Ich bin der festen Überzeugung, dass ihr an Stelle von „Hmm, lassen sie mich mal überlegen. Da fahren sie am besten da vorne links und dann im Kreisel – warten Sie, ich glaube die dritte Ausfahrt war das- und dann einfach geradeaus bis so ein Wäldchen kommt und dann wieder links.“ lieber ein „In 300m rechts. Ziel wird erreicht in x Minuten.“ hört.
Text: Daniel Engel (ZeBlog)
Illustration: Daniel Engel (ZeBlog)