Siebzehnter Mond im Zyklus 845, Bilanz des vierten Tages:
Bestand:
– Arbeiter: 376 benutzbar; 89 auswechselbar; 34 tot; 110 in Vorbereitung; 300 geboren.
– Schreiber: drei benutzbar; zwei auswechselbar; 0 tot; 0 in Vorbereitung; 5 geboren.
– Brüter: 1000 benutzbar; 200 auswechselbar; 42 tot; 500 in Vorbereitung; 76 geboren.
– Futter: 813 benutzbar; null auswechselbar; 113 tot; 200 in Vorbereitung; 400 geboren.
– Spielzeug: 189 benutzbar

Historie:
– Bau der neuen Brutstätte sowie Instandsetzung der alten Arena begonnen
– Die Hinrichtung der vier Fürsten Kali, Ayneuth, Vargard und Agares erfolgte durch die scharfe und unbarmherzige Klinge des Königs
– Ein Tribunal zur Neubesetzung der Fürsten wurde verkündet

Gezeichnet: Metos XIV.

Der Schreiber legte seinen Stift beiseite und klappte ein altes, in Leder gebundenes Buch zu. Dabei bohrten sich seine Fingernägel in das teilweise poröse, zerfledderte Leder des Einbands. Manche Stellen fühlten sich wie ein verkrusteter Schwamm an. Durch die schroffen Stellen passierte es oft, dass seine Fingerkuppen aufrissen und er dadurch, wie viele Schreiber vor ihm, das Buch nährte. Das Blut floss durch die Seiten und erweckte etwas im Buch zum Leben. Plötzlich wurde die Kette, die mit dem Halswirbel des Schreibers verbunden war, strammer und er sank auf die Knie.

„Metos“, knurrte eine kratzige, tiefe Stimme in seinen Gedanken, „dein Blut schmeckt alt und krank. Gehe sofort los und melde das!“

Doch der Schreiber starrte nur auf den Boden. Das Buch brummelte und ließ die Kette noch straffer werden, wodurch sich der Halswirbel leicht verbog. Metos stürzte vor Schmerz nach vorne auf den Boden und verletzte sich am Kopf.

„Steh auf, du dreckige Made! Du hast es noch nicht verdient zu sterben. Also lauf, bevor dir jeder einzelne Knochen in der Arena vom Stampfer zertrümmert wird.“

Metos stand mit zitternden Beinen und schwerem Kopf auf, klemmte das Buch unter seinen rechten Arm und wankte an der Wand entlang. Ihm rann das Blut über die Schläfe und ihm wurde beinahe schwarz vor Augen. Je länger er sich durch sein Studierzimmer kämpfte, desto schwerer fiel es ihm, sich an der Wand abzustützen. Als er an einer großen Eisentür ankam, blieb er stehen. Er tastete nach ihr und schmierte mit seinen blutigen Fingerkuppen ein Zeichen darauf. Auf der anderen Seite begann es zu zischen, und ein blutiges, fleischiges Etwas saugte sich mit seinen Gliedmaßen an der Tür fest und zog sie aus ihren Angeln. Metos stützte sich am Eingang ab und als er heraustrat, knallte das Geschöpf sofort wieder die Eisentür an seine ursprüngliche Stelle, wodurch Metos eingeklemmt wurde. Der zusätzliche Schmerz und der Anblick seines zerquetschten Beines ließen den Schreiber in Ohnmacht fallen.

Das Buch wütete und sonderte eine teerartige Flüssigkeit aus seinem Inneren ab. Die dunkel-scharlachrote Substanz floss an der Kette entlang und gelangte über die offenen Wunden in den Körper des Schreibers. Metos richtete sich auf und zog wie ein Berserker an seinem Bein. Beim Ziehen schabte sich das Fleisch bis zum Knochen ab. Wo gerade noch seine Wade war, baumelte nun nur noch ein zermatschter Stumpf herum. Das Buch bebte immer noch vor Wut und nahm sofort mit dem Torwächter Kontakt auf.

„Malphar, mein Verbinder ist zwar ein Schreiber, aber dennoch benötigt er mehr als seine Hände. Du sollst ihn in deinem Inneren bewachen und nicht mit deinen hässlichen Ausläufern verstümmeln!“
„B’aD,LaA B’NeK,LaA!“
„In der Hölle sollst du schmoren, du nutzloser Schutzdämon. Los Schreiber, steh auf und geh so schnell du kannst zu unserem Fürsten.“

Metos versuchte auf einem Bein voranzuhüpfen, flog jedoch mehrfach zu Boden. Das schien dem Buch gar nicht zu gefallen und es befahl ihm, es sich auf den Rücken zu binden. Der Schreiber zerriss seine Lumpen, die er am Körper trug, und nutzte die Fetzen, um das Buch wie gewollt zu fixieren. Als es gut am Rücken befestigt war, befahl das Buch dem Schreiber, den Rest des Weges zu kriechen. Metos kroch mit nacktem Oberkörper über den steinigen Flur, sodass seine Haut am Boden rieb und er sie sich aufschürfte. Als er eine Treppe emporkletterte, brach er sich mehrere Rippen und riss sich ganze Fleischstücke an den scharfen Kanten heraus. Oben angekommen, stand er auf und beschmierte erneut eine schwere Türe mit Zeichen, woraufhin sich diese öffnete.

„LaPlace, das Blut dieses Gewürms schmeckt faulig. Ich will, dass du es heilst!“, schrie das Buch eine merkwürdige Gestalt an.
Diese drehte sich schnaubend um und wollte wissen, wer ihn bei seiner Arbeit störte.

„Damus, dein Gewürm ist nicht relevant. Wenn es stirbt, kriegst du ein Neues. Dieser Tag wird der eine sein, an dem wir diese lästigen Geschöpfe nicht mehr züchten müssen. Schau! Diese Maschine wird es ermöglichen, selbst wenn ihre schwachen Glieder aufgeben und ihr erbärmlicher Lebenssaft verrinnt, sie weiterhin zu nutzen. Wir werden die Seelen daran hindern, diese jämmerlichen Körper zu verlassen und für immer in ihnen zu versiegeln.“
„Es ist ein besonderes Gewürm, LaPlace. Es ist der einzige Verbinder, der zu mir passt. Deine kläglichen Versuche, deine Maschine erneut zum Laufen zu bringen, müssen also warten.“
LaPlace brüllte so laut, dass alles um ihn herum bebte. Er hechtete zu Metos, holte weit aus und rammte seinen Arm durch den zugenähten Mund bis hinunter in den Magen des Schreibers.
„Was tust du denn da? Er wird noch sprechen, wenn du nicht aufpasst“, tobte das Buch.
„Still! Ich entferne die Ursache für das faulige Blut.“

LaPlace ertastete ein großes Geschwür, packte es und riss es heraus. Metos sackte auf der Stelle zusammen, doch bevor er auf den Boden aufprallte, griff LaPlace mit der anderen Hand nach ihm, drückte ihn gegen eine naheliegende Wand und ritzte mit seinen Krallen ein kantiges Zeichen in Metos Brust. Das Mal brannte sich in seinen Körper ein und erstrahlte so hell wie 1000 Sonnen, bevor es sofort wieder erlosch.

„Es lebt noch eine Weile und seine Wunden werden auch bald heilen. Lass mich jetzt arbeiten, ich muss die Maschine vor dem Sturm fertigstellen.“
„Glaubst du immer noch, dass der Sturm, der die Welt erhellen wird, kommt?“
„Er wird. Dieses Mal habe ich alle Faktoren einbezogen. Dieses Mal sind alle meine Berechnungen korrekt.“
„Berechnungen, pah. Weißt du nicht mehr, wie wir dieses Gewürm unterworfen haben? Unsere Herrschaft fußt auf schwarzer Magie und Blut. Nicht auf Wissenschaft.“
„Weißt du, weiser Damus, etwa nicht mehr, warum es uns ermöglicht wurde, mit schwarzer Magie und Blut dieses Imperium aufzubauen und die Menschheit zu unterwerfen? Es war der Mangel an Wissenschaft“, schnaubte LaPlace und drehte sich um zu seiner Maschine.
„Stellst du unseren König und seine Macht in Frage? Glaubst du, so ein Klumpen Metall und Zahnräder, gepaart mit einem Blitz, sind mächtiger als unsere Magie? Es wird Zeit, dass dich jemand in die Arena empfiehlt, und ich weiß, dass du bald dran sein wirst.“
LaPlace ballte seine Fäuste so sehr, dass seine Fingernägel sich in seine Handflächen bohrten und das Blut auf den Boden tropfte.
„Du weißt, dass du ersetzbar bist. Du bist jemand mit niederer Magiefähigkeit. Für dich wird man nie einen Verbinder opfern. Verbringe deine Zeit, die dir noch bleibt, also lieber mit etwas Wichtigerem, als dieser Maschine.“

Doch Damus wurde von LaPlace ignoriert, während dieser genau damit fortsetzte, was das Buch kritisierte.
Zufrieden mit sich selbst, erzeugte das Buch erneut die schwarze Flüssigkeit, die in den Schreiber eindrang.

„Los, Schreiber, wir bringen dich erneut zum Schweigen. Wir müssen in den Ostflügel, um dich zeremoniell wieder zu meinem Verbinder zu machen.“

Metos stand vom Boden auf. Sein Stumpf war mittlerweile bis zum Knöchel nachgewachsen. Auch sein Oberkörper und seine Innereien genasen durch das Zeichen auf seiner Brust rasch. Er nahm das Buch und klemmte es wie gewohnt unter seinen Arm. Hinkend, aber stetig ging er durch die Korridore des Schlosses. Im Kreuzgang zum Labor begegneten sie Bileam, der beim Anblick des Schreibers entsetzt zurückwich.

„Damus, was hast du getan? Dein Verbinder hat die Möglichkeit zu sprechen. Töte ihn schnell!“
„Beruhig‘ dich, Bileam! Es steht unter meiner Kontrolle, und seine Zunge ist noch nicht nachgewachsen. Es kann vielleicht lesen und schreiben, aber es weiß nicht, wie man spricht.“

Bileam näherte sich vorsichtig dem Buch und seinem Verbinder. Vorsichtig nahm er sein Auge heraus und legte es in die Hand von Metos. Dieser sah tausende Bilder vor seinem geistigen Auge vorbeischnellen: Ein unbeschreibliches Wesen mit einem merkwürdigen Gerät, ein lodernder Scheiterhaufen, schwarzes Blut, das eine Furche entlang floss, ein neongrüner Blitz, eine Maschine, die mit Dämonen betrieben wurde, ein Buch, das in einer fremden Sprache verfasst war, den Dämonenkönig, wie er Metos hinrichtete, und…
Bileam wich zurück und fiel zu Boden.

„Was hast du gesehen, Bileam?“
„E…En…Engel“, antwortete er mit zitternder Stimme.
„Bist du dir sicher?“
„Ich habe noch nie etwas so Furchterregendes gesehen. Ich bin mir sicher.“
Das Buch überlegte und gab dann seinem Verbinder neue Befehle.
„Wir müssen unverzüglich zum Dämonenkönig. Bileam, alarmiere alle und sag ihnen, was du gesehen hast.“
„Nein, wir sollten deinen Verbinder sofort töten.“
„Niemals, er ist der letzte passende Verbinder für mich. Die nächste Brut ist noch nicht fertig.“
„Damus, dein Bruder und unsere Herrschaft könnten in Gefahr sein. Wir müssen ihn töten.“
Bileam riss sein Auge aus Metos Hand und rannte den Kreuzgang Richtung Ostflügel entlang.
„Helft mir! Wir müssen unseren König beschützen. Helft mir!“

Lautes Brüllen, Schreien und Kreischen hallte durch die Korridore im Ostflügel. Damus befahl Metos, die Route über den Südturm zu nehmen, um über die innere Burgmauer unentdeckt zurück zum Ostflügel zu gelangen. Der Schreiber rannte los und kletterte in Windeseile hunderte von Stufen hinauf. Hinter ihm wurde die Dämonenhorde immer lauter. Sie kamen näher. Zu schnell. Sie erreichten die Turmspitze, doch ihre Verfolger waren dicht hinter ihnen.

„Schneller! Wenn sie dich kriegen, werde auch ich sterben.“

Metos Blut pulsierte, und er sprintete mit übermenschlicher Geschwindigkeit über die Burgmauer, die den Südturm mit dem Ostflügel verband. Als er die Hälfte des Weges zurückgelegt hatte, sprangen die ersten Dämonen, angeführt von Bileam, auf die Mauer. Metos rannte so schnell es physisch möglich war, doch die Dämonen holten ihn ein. Kurz bevor er und das Buch den Eingang in den Ostflügel erreichten, biss ein kleiner Dämon dem Schreiber das Bein ab, woraufhin dieser stürzte. Damus pumpte verzweifelt all seine schwarze Lebenskraft in Metos und hoffte, dass er sich mit letzter Kraft über die Mauer stürzen könnte, um so zu entkommen. Gerade als Metos mit einer Hand die Mauerkante griff, schnitt ihm ein Dämon mit einem krummen Säbel den Arm ab. Bileam stürzte sich auf ihn und setzte seinen Fuß auf Metos Bauch.

„Damus, ich verurteile dich hiermit dazu, in der Arena in deiner jetzigen Form zu kämpfen. Dein Verbinder wird nun von dir gelöst und deine Magie wird versiegen.“

Bileams Speer begann an der Spitze zu glühen. Mit der brennenden Schneide durchtrennte er die Verbindung zwischen Damus und Metos. Das Buch schrie fürchterlich und versuchte sich zu winden. Ein Dämon, der Bileam zu gehorchen schien, nahm das Buch und legte es auf die Brust des Schreibers.

„Hiermit zerstöre ich das Band, das du mit deinem Verbinder hattest, und banne dich in deine jetzige Form“, verkündete Bileam mit einem süffisanten Grinsen.

Er hob den Speer über sich, umklammerte ihn mit beiden Händen und stach zu. In diesem Moment sah er etwas aus dem Augenwinkel. Ein neongrüner Blitz schlug in einen Felsen südlich der Burg ein. Aus dem Nichts ertönte Musik, die so laut und zermürbend war, dass allen das Blut in den Adern gefror. Kurz darauf schnellte ein weiterer neongrüner Blitz auf sie zu. Er traf die Burgmauer etwas unterhalb des Geschehens und sie zerbarst in hunderte Stücke. Es folgte ein weiterer Blitz, der im Westflügel einschlug. Die Musik wurde nun aggressiver und schneller, woraufhin ein ganzes Gewitter über dem Schloss aufkam und es nach und nach zerstörte. Bileam sah erneut zum Felsen hinüber und als ein weiterer Blitz den Horizont erhellte, sah er die merkwürdige Gestalt aus seiner Vision auf dem Felsen.

Es war ein alter Mann mit langem weißem Bart, fremder Kleidung, einer verdunkelten Brille, einer Maschine auf dem Rücken und einem merkwürdigen Musikinstrument, das er erneut aufs Schloss richtete. Er setzte an und spielte los. Dieses Mal langsamer, aber heftiger. Immer mehr vom Schloss wurde zerstört. Er machte weiter, und wechselte das Tempo und die Art, wie er spielte. Die Blitze schlugen zentraler ein als vorhin. Das schien dem Mann zu gefallen, und er fügte dem jetzigen Stil ein paar musikalische Schnörkeleien hinzu. Die Blitze wurden heftiger und konzentrierten sich nur noch auf eine Stelle am Schloss.
Metos und Damus, die in einer Kuhle in der zerstörten Mauer lagen, sahen, dass die letzten Blitze in LaPlaces Labor eingeschlagen hatten. Von dort aus schoss nun ein Strahl empor in den Himmel, der die Wolken wegfegte und eine Druckwelle erzeugte, die alles südlich des Labors in Schutt und Asche legte. Der Schreiber konnte gerade noch mit Damus unterm Arm aus der Kuhle herausrollen und stürzte in einen Fluss, der unter der Mauer entlang floss. Die Trümmer der zerstörten Gebäude und Mauern wurden direkt zum Felsen geschleudert, wo der alte Mann stand. Er sprang den Hügel hinab in Deckung und verschanzte sich dort in einer Höhle.

Es vergingen mehrere Tage, bevor Metos wieder zu sich kam. Völlig gerädert und benommen schaute er sich um, konnte jedoch nicht zuordnen, wo er war.

„Ah, der Überlebende ist aufgewacht“, ertönte es aus einem metallischen Schaukelstuhl.
Metos hielt sich mit beiden Händen an die Schläfen und schüttelte wild den Kopf hin und her.
„Was ist denn los? Kannst du nicht reden?“

Panisch griff Metos mit seinen Händen an seinen Mund und spürte, dass er nicht zugenäht war. Auch im Mund fühlte sich etwas fremd an. Er bewegte seine Zunge hastig und streckte sie heraus, um die Spitze davon zu sehen.

„Hmm, verstehe. Kann ich mit dir irgendwie reden?“
Blitzschnell zeigte der Schreiber auf ein Buch und machte eine Stiftbewegung in der Luft.
„Natürlich.“

Der Mann stand aus dem Schaukelstuhl auf, schnappte sich ein Notenblatt, Tinte und Feder und reichte sie dem Fremden. Metos begann sofort, sich den Daumen aufzubeißen und wollte mit seinem Blut losschreiben.

„Woah, ganz ruhig, Schreiber. Hier schreiben wir nicht mit Blut. Nimm lieber das.“
Der Mann schob ihm das Tintenfass näher hin, doch der Schreiber wich zurück.
„Du hast also Angst vor schwarzer Flüssigkeit? Ich kann dir garantieren, dass diese harmlos ist. Komm‘, ich zeig’s dir. Das ist mein Name.“

Der Mann zückte eine zweite Feder von seinem Hut, tunkte sie ins Tintenfass und schrieb „Riff“ in krakeliger Handschrift auf.

„Ich kann nicht viele Worte schreiben oder lesen. Ich bin besser mit Noten, aber wenn die Sachen in dem Buch dort drüben von dir sind, dann nehme ich mal an, dass du ein Schreiber bist.“

Metos nickte, riss Riff das Notenblatt aus der Hand, tunkte seine Feder ins Tintenfass und schrieb ebenfalls seinen Namen auf.

„Ich kann nur „TOS I“ davon lesen. Hast du was dagegen, wenn ich dich einfach „Toss“ nenne?“
Nach kurzem Überlegen schüttelte Metos den Kopf.

„Sehr schön, Toss. Ich sehe, dass wir uns erstmal so unterhalten können, da du mich ja anscheinend verstehst. Versuch einfach mit Handzeichen zu gestikulieren, falls du Fragen hast. Ich rede einfach mal drauf los: Ich bin Riff, ein Leodeguard von Babylon. Unsere Aufgabe ist es, die Herrschaft der Dämonen zu beenden und die Menschheit zu befreien. Das kann nur gelingen, indem wir miteinander reden. Der erste Schritt, die Menschheit zu entmächtigen, war die Kommunikation zu zerstören.
Deswegen bist du so wichtig, Schreiber. Du besitzt die Fähigkeit zu schreiben, die die Menschheit seit langer Zeit verloren hat. Sprache ohne die Möglichkeit der Dokumentation ist äußerst fehleranfällig. Deshalb ziehen wir los in die Festungen der Dämonen und befreien die Schreiber. Es ist uns schon ein paar Mal gelungen, jedoch haben wir nicht viele Möglichkeiten. Meistens müssen wir ein paar Generationen warten, bis wir eine Handvoll Schreiber befreien können. Doch du bist einzigartig. Du hast keine Verbindung mehr zu deinem Verbinderdämon und dein Mund und deine Zunge sind auch nicht verstümmelt. In den mündlichen Aufzeichnungen der letzten 1000 Jahre ist sowas noch nie vorgekommen.“

Toss begann sich umzusehen und sah Damus auf dem Boden liegen. Hektisch blätterte er es durch und las die letzte beschriebene Seite. Schluchzend klappte er das Buch zu und schlug weinend darauf ein. Riff hob eine Augenbraue an und fuhr sich mit den Fingern durch den rauschigen Bart. Damus erwachte nun ebenfalls.

„Was tust du denn da? Ich habe dir dein erbärmliches Leben gerettet.“
„Ha, ein echter Unsterblicher in meinem Haus“, freute sich Riff, „getrennt von seinem Verbinder. Machtlos und gar nicht so unsterblich, wie man denkt.“
„Wer bist du und was hast du mit uns vor?“
„Mit euch? Ich habe nur Verwendung für Toss. Du bist einfach ein netter Zusatz.“
„Ein netter Zusatz? Ich bin Damus. Bruder des Baals. Amtierender Herrscher der Dämonen. Magiermeister…“
„Du bist ein sprechendes Buch“, unterbrach ihn Riff schroff.
„Wie kannst du es wagen, du Made. Ich lasse dich aufschlitzen wie ein Tier…“

Riff nahm Damus, wickelte ihn in eine Decke und legte ihn umgedreht auf den Tisch, sodass nur noch Gemurmel verständlich war.
Toss musste lachen und hörte sofort damit auf. Es war ihm völlig fremd, Laute aus seinem Mund zu hören. Ohne nur einen Moment daran zu verlieren, begann er damit, verschiedene Töne zu machen.

„Ach herrje, da müssen wir aber gewaltig üben“, scherzte Riff und zeigte mit seinem Finger auf seinen Namen, „das ist ein „rrrrrrr“, das ein „iiiiiii“, das ein „fffffff“ und das nochmal eins. Ansonsten kenne ich nur noch diese Buchstaben.“

Riff schrieb auf dasselbe Notenblatt, auf dem die beiden Namen standen, ein „T“, ein „O“, ein „S“, ein „B“ und ein „M“ hin. Blitzschnell schrieb Toss mehrere Worte auf und begann, sie zu sprechen. Nach und nach verstand er die Zusammenhänge und konnte einige Worte lesen.

„Das ist ja phänomenal, Toss. Ich habe hier etwas auf meiner Gitarre eingraviert, was vor Hunderten von Jahren in den Korpus eingeritzt wurde. Kannst du das lesen?“
„K-R-U-Z-I-F-I-X. Kruzifix.“

Plötzlich ertönte aus der Decke, in der Damus eingewickelt war, kein Gemurmel mehr, sondern schmerzerfüllte Schreie. Nach einer Weile hörte es auf.
Riff kniff die Augen etwas zusammen, nickte bestätigend mit dem Kopf, grinste und bat Toss, es erneut zu sagen.

„Kruzifix.“

Erneut schrie das Buch aus tiefster Seele auf. Riff und Toss schauten sich gegenseitig an.
„Mann, Toss, du bist nicht irgendein Schreiber, du bist der Retter der Menschheit. Das müssen wir sofort in Babylon verkünden. Endlich haben wir eine Waffe gegen unseren Feind.“