Edit: Dies ist ein überarbeiteter Artikel von mir, den ich 2017 geschrieben und erstellt habe. Das Original findet ihr hier. Viel Spaß beim Lesen des Updates!
Geld und Gaming geht immer mehr Hand in Hand und auch dem normalen Gamer wird immer eklatanter, weswegen man in letzter Zeit öfters Sätze und Ratschläge hört, dass man Spiel XY nicht kaufen soll. Wenn man nämlich Spiel XY kauft, dann lenkt man die Spieleindustrie in eine fatale Richtung.
Doch stimmt diese Behauptung und können wir, als Konsumenten, überhaupt irgendetwas gegen den vermeintlichen Untergang tun? Ist die Industrie vielleicht schon viel früher falsch abgebogen und wir haben es nur verdrängt? Versuchen wir uns doch mal zu erinnern. Also wie war das noch gleich?
1. Der Anfang im Vergessen:
Wir schreiben das neue Jahrtausend. Teenager geilen sich an Lara Crofts Polygone auf, man kauft sich noch Hefte mit Cheatcodes darin und das Internet ist eine neue unerforschte Sache mit relativ wenig Pronoanteil. Während Nintendo, Sega und Sony sich auf Innovationen in den Spielen konzentrieren, will der Techgigant, der von Bill Gates geführt wird, anderweitig in der Industrie Fuß fassen. Microsoft veröffentlicht also 2001 eine Spielekonsole, die es einem Spieler – dank Breitbandinternetverbindung – ermöglicht mit Freunden durch den Onlinedienst Xbox Live zu zocken. Aber nicht nur das war nun möglich, denn der Dienst sollte auch „extra content“ für die Spieler verfügbar machen. Mit dem Start von Xbox Live im Jahre 2002 eröffnete auch der Xbox Marketplace, um genau solchen „extra content“ zu vermarkten. Dieser Inhalt von Microsoft (deswegen auch Micro-Transaktionen) wurde zur konzeptuellen Idee, dass man sich mit dem Xbox Marketplace keine ganzen Pakete und Kollektionen mehr kaufen muss, von denen man den Großteil sowieso nicht braucht, sondern einfach den einzelnen Inhalt erwerben kann. 2005 wurde mit dem Start der Xbox 360 diese Möglichkeit als tolles Feature für die Spieler beworben: „Imagine players slapping down $.99 to buy a one-of-a-kind, fully tricked-out racing car to be the envy of their buddies.“ (Stellt euch Spieler vor, die 99 Cent für ein einmaliges Rennauto hinknallen, wofür sie von ihren Kumpels beneidet werden).
Der Grundgedanke, dass man für einen Zusatzinhalt nur einen Euro, anstatt fünf oder 10 Euro für ein Paket ausgeben muss, war ja nicht schlecht, jedoch vermarktete man dieses Konzept parallel als alternatives Einkommen für die Videospielstudios.
Das erste Studio, das davon als Drittanbieter Gebrauch machte, war Bethesda, das „The Elder Scrolls IV: Oblivion“ für ein Jahr exklusiv auf Xbox 360 und PC anbot. Durch diese Partnerschaft mit Microsoft, veröffentlichte Bethesda ein Jahr später (2006) das verrufene Pferderüstungs-DLC, bei dem man für fluffige 2,50€ eine Rüstung für sein rastloses Reittier bekommen konnte.
Obwohl dieses DLC sehr kritisiert und von vielen Fans als Abzocke angesehen wurde, machte es witzigerweise den achten Platz in den Top 10 Oblivion DLCs.
Die Erweiterung war damals in aller Munde und auch wenn schlecht darüber geredet wurde, es wurde darüber geredet, was wiederum dazu führte, dass nun auch die Allgemeinheit, zukünftige Entwickler und CEOs von DLCs in Form von Mikrotransaktionen wussten.
Free to p(l)ay!
Mitte der 90er erfand die Südkoreanische Firma „Nexon“ das Free-to-play-Modell, welches dem koreanischen, chinesischen und russischen Markt sehr zusagte. Man brauchte nun keinen neuen Computer und teure Spiele mehr kaufen, denn man konnte einfach in ein Internetcafé gehen und loszocken. Die Spiele waren schließlich für jeden gratis, doch Items und Haustiere, die das Spiel um einiges angenehmer machten, kosteten echtes Geld und wurden natürlich nach einer bestimmten Zeit wieder gelöscht, damit man sie erneut erwerben musste. Man zahlt also für ein besseres Spieleerlebnis, auch wenn es ohne Accessoires funktionieren würde. Die kostenlosen Spiele, wie „RuneScape“ und „MapleStory“, erhielten eine beträchtliche Spielerbasis und „Nexon“ noch einen viel beträchtlicheren Umsatz.
Daher blieb dieses Modell nicht lange unbemerkt und wurde schnell zum Standard von fast allen Browserspielen. Eines der berühmtesten Browserspiele war „FarmVille“, das mit dem Aufschwung von Facebook ebenfalls einen gewaltigen Zuwachs an Gelegenheitsspielern und sogar Nicht-Spielern erlangte. Im Jahr 2011 machte der Entwickler von FarmVille (Zynga) sogar 12% des kompletten Facebook Erlöses aus, was knackige 445$ Millionen entsprach.
Auf dieses Geld und diese Marktlücke wollte man nun in der Gamingbranche nicht mehr verzichten und neben Browserspielen entschied man sich auch mobile Spiele auf dieser Basis zu entwickeln, was wiederum zu einer Verlagerung des Spielemarktes führte.
Große Entwickler wie Square Enix, EA, Ubisoft, Microsoft, Sony und Warner Bros. fingen an Free-to-play-Modelle und mobile Spiele oder so genannte Companion Apps (Begleiter-Anwendungen) herauszubringen, um auch die neu entstandene Marktnachfrage zu bedienen. Für diese ergänzenden Apps gab es nur ein Problem: eine App, die ein 60€ Spiel nur unterstützt, bietet keinen vergleichbaren Reiz zu einem vollständigen mobilen Spiel an. Sie wurden eher als überflüssig empfunden und der generelle Konsens war, dass eine zusätzliche Komponente auf einem anderen Endgerät die Spieleerfahrung unnötig intermedial machte. Ein Beispiel für eine solche scheiternde Companion-App-Symbiose war „Assassins Creed Unity“.
Um in „Assassins Creed Unity“ gefundene Nomaden-Truhen zu öffnen, musste der Spieler diese erst in der Companion-App durch Rätsel und Zeitmissionen freischalten. Zur Zeitbegrenzung kam noch die Limitation hinzu, dass die App immer mit der Konsole synchronisiert sein musste und ohne verfügbares Internet gab es keinen anderen Weg diese Kisten zu öffnen. Als Kirsche auf dem Scheißhaufen löschte die App in Verbindung mit UPlay auch öfters noch den Spielstand, weshalb die ursprünglich essenzielle Verbindung nach nur vier Monate nach Veröffentlichung des Spiels heraus-gepatcht wurde.
Große Titel, die davor ein monatliches Abonnement benötigten und bei denen eine Companion App keinen Sinn machte, wurden Free-to-play. Dieser Entschluss brachte im Falle von „Star Wars: The Old Republic“ das doppelte und im Falle von „Rift“ das fünffache monatliche Einkommen. Aber auch Spiele ohne vorheriges Abonnement, wie „Team Fortress 2“, bescherte die Entscheidung das Geschäftsmodell zu wechseln fünfmal so viele Spieler wie zuvor.
Da diese Taktik auf dem Markt Anklang fand, ist es nicht verwunderlich, dass das Free-to-play „League of Legends“ im Jahre 2015 mehr Erlös erzielte als World of Warcraft, Dota 2 und CSGO zusammen. Free-to-play Spiele und Zahlungen für zusätzliche Inhalte sind mittlerweile so alltäglich geworden (siehe Facebook, Mobile Games), dass wir langsam dafür desensibilisiert wurden.
Zahlen für die Zukunft:
2009 war nicht alles so vernetzt und gesichert wie heute und die Videospielindustrie litt schwer unter Piraterie und den Second-hand Läden. Handhelds, wie die PSP, waren fast ausschließlich gehackt, und das Internet platzte fast vor ROMs/ISOs für Emulatoren. Auch PC-Spiele wurden immer einfacher gecrackt und konnten benutzt werden, um auch online zu spielen.
Während man vor den 2000ern in „Alone in the Dark“ Codes aus einem Benutzerhandbuch dechiffrieren musste oder darauf angewiesen war in „The Secret of Monkey Island“ Codes, mit Hilfe eines Code-Rades zu lösen, machte das im Zeitalter des Internets wenig Sinn mehr.
Zu drastische Maßnahmen, wie Installations-begrenzungen, die dazu führten, dass ein Spiel nur maximal drei Mal installiert werden konnte, erwiesen sich ebenfalls als äußerst negativ für die Entwickler. Die von Fans und Kritiker hochgelobten beiden Teile der „Bioshock“-Reihe erhielten deswegen sehr viel Kritik.
Die Alternative war das Online DRM, bei dem man selbst für den Einzelspielermodus mit dem Internet verbunden sein musste und immer auf die Stabilität des Servers angewiesen war. Jedoch führte auch dieser Kopierschutz im sehr beliebten „Assassins Creed 2“ zu heftigen Verlusten und scharfer Kritik.
Deshalb startete EA 2010 „Projekt 10$“, bei dem man beim Kauf von einem gebrauchten Spiel 10€ zahlen konnte, um die Inhalte aus der „erstgekauften“ Version zu erhalten. Dieses Modell blieb nicht unbeachtet und so gab es für das PSP-Spiel „SOCOM: U.S. Navy SEALs Fireteam Bravo 3“ einen Code, der einem erlaubte Online zu spielen. Wer ein gebrauchtes Exemplar kaufte, bei dem der Code bereits eingelöst wurde, konnte sich einen neuen Code für 20$ herunterladen.
EA ließ sich diese Online-Strategie aus ihrem eigenen Konzept ebenfalls nicht entgehen und kombinierte für seine EA Sports Titel (Madden NFL 11, NBA 11, NHL 11, FIFA 11, Tiger Woods PGA Tour 11) diesen Online Pass mit dem „Projekt 10$“. Jedes gebrauchte Sportspiel konnte nun, für den Aufpreis von 10€, wieder online gespielt werden. Die Konkurrenz ließ nicht lange auf sich warten und Ubisoft, Activision und Warner Bros. führten ebenfalls die sogenannten Online-Pässe ein.
Einen etwas angenehmeren Weg, um der Piraterie entgegenzusteuern, versuchten die Entwickler von „Rockstar Games“ mit „L.A. Noire“ zu erreichen. Mit dem sogenannten Rockstar-Pass konnte man vier DLCs für 12$ erwerben, während dieses Paket einzeln insgesamt 20$ gekostet hätte.
Man wurde quasi dafür belohnt den Entwicklern zu vertrauen und Geld für etwas zu zahlen, was erst noch fertiggestellt werden musste. Was damals ein riskanter Schritt war, ist heutzutage gar nicht mehr aus der Spieleindustrie, in Form von Vorbestellerboni, wegzudenken.
Da man „Rockstar Games“ vertraute, wurde der Rockstar-Pass ein Erfolg und Franchises wie „Mortal Kombat“ und „Call of Duty“ folgten dem Trend.
Man begann auch hier auszutesten, was sich der Konsument gefallen ließ. Der Season-Pass für „Call of Duty: Black Ops 4“ kostete 50€ und somit fast genau so viel, wie das eigentliche Spiel bei Veröffentlichung (60€). Einen weiteren überteuerten Season-Pass lieferte „Batman: Arkham Knight“, der stolze 40€ kostete und hauptsächlich aus Kostümen und Herausforderungspaketen bestand.
Wobei in diesen beiden Beispielen „nur“ der Preis falsch eingeschätzt wurde, kam es in „Naruto: Ultimate Ninja Storm“ und „Street Fighter X Tekken“ zum Ausnutzen des Konzepts und dem Vertrauen der Kunden.
Season-Pässe bzw. DLCs sollten es den Entwicklern ermöglichen ein fertiges Spiel nach Abschluss der Entwicklung weiterhin monetär zu unterstützen, um zukünftige Erweiterungen zu veröffentlichen. In den gerade eben genannten Spielen, wurden jedoch DLC-Charaktere, die bereits fertigentwickelt und spielbar waren, auf der Disk gesperrt, damit sich Spieler diese später freikaufen mussten. Man zahlt also für etwas zusätzlich, das bereits auf dem fertigen Spiel vorhanden war.
Wer nun denkt, dass das schon lange nicht mehr passiert ist, der muss sich nur „Final Fantasy XV“ anschauen. „Final Fantasy XV“ war so lange in Entwicklung (10 Jahre), dass ein erneutes Verschieben der Veröffentlichung unmöglich gewesen wäre, weswegen komplette Handlungsabschnitte herausgeschnitten wurden und diese erst nach mehr als über einem Jahr durch den Season-Pass veröffentlicht wurden. Das Spiel hatte zwar genug Inhalt, jedoch merkte man, dass Aufgrund des Entwicklungsprozesses die Geschichte lückenhaft erzählt wurde. Des Weiteren wird niemand die ganze Handlung jemals erfahren, da drei gesamte Handlungs-erweiterungen gestrichen wurden.
Mit VollGaaS in der Gegenwart:
Free-to-play, die Erfindung der Mikrotransaktionen und Installations-Limitierungen sind Konzepte, die in der früheren Videospiel-Landschaft über so lange Zeit keinen halt gefunden hätten, doch zwei wichtige Faktoren haben die Branche massiv verändert:
1. Mobile Endgeräte:
In einer Analyse von Pelham Smithers über die Einnahmen der Videospielindustrie der letzten 50 Jahre, ist zu erkennen, dass ab ca. 2001 die Einnahmen der verschiedenen Videospielplattformen -abgesehen von Arcade – gestiegen sind. In der Zeit, in der der GameBoy den Handheld in den 90er mit Kirby, Mario, sowie Pokémon alltagstauglich und für viele junge Gamer unverzichtbar machte, dümpelten die Mobiltelefone immer noch mit Snake und Tetris umher. 2007 jedoch, in der Hochphase des Nintendo DS, erlaubte ein Paradigmenwechsel in der Industrie, dass man auch ohne Handheld unterwegs zocken konnte. Die Veröffentlichung des Iphones und der darauffolgende Start des AppStores 2008 revolutionierte die Sicht und die Definition des mobilen Gamings, denn Entwickler konnten nun für einen kleinen Betrag Spiele anbieten, die für Gelegenheitsspieler programmiert wurden. Der erste Durchbruch in diesem Bereich machte Angrybirds, das nur 0,99$ kostete. Es folgten Spiele wie „Plants vs Zombies“ von EA, „Candy Crush“ von Zynga und „Flappy Bird“ von Gears Studios. Während „Angrybirds“ erst kostenpflichtig war und den Markt erschloss, mussten sich die Entwickler (Rovio) dem Trend der anderen Spiele beugen und ebenfalls das Freemium-Konzept 2014 verwenden. Dieser ist seither ein Standard der Monetarisierung in Videospielen und produzierte 2020 dank Titeln wie „Fortnite“, „League of Legends“ und „Candy Crush“ knapp 80% der Einnahmen der gesamten Videospielbranche.
2. Das Internet:
Vor den 2000ern hätte man, um regelmäßigen Inhalt für Spiele anbieten zu können, einen monatlichen Brief versenden müssen in dem eine CD mit Updates verschickt wurde. Was vorher wie ein Plan eines Wahnsinnigen klang, wurde mit dem Internet zu einer umsetzbaren Innovation. Deshalb beschlossen Blizzard 2004 das massive multiplayer online roleplay game (MMORPG; massives Mehrspieler-Onlinerollenspiel) „World of Warcraft“ mit so einem Spieleabonnement zu starten. Das Konzept war simpel: man kauft sich das Spiel für den Vollpreis (damals 50€), bekommt 30 Spieltage umsonst und danach zahlt man monatlich 14,99€ um weiterspielen zu können. Dieses pay-to-play (P2P) System war mutig, da es bisher hauptsächlich free-top-play (F2P) und freemium Onlinespiele gab. Nach diesem Erfolg eiferten Dutzende von MMORPGs diesem System nach, wodurch die Abonnement-basierten Onlinespiele zum status-quo wurden. Man bezahlt monatlich für ein Spiel und umso mehr Zeit man damit verbringt bzw. man bisher verbracht hat, desto eher erneuert man sein Abo. Das MMORPG „Final Fantasy XIV“ hat deswegen wöchentliche Aufgaben, die sich nach 7 Tagen erneuern und eine Mechanik, die den Spieler dazu auffordert sich einmal pro Monat einzuloggen und in seinem virtuellen Haus zu sein, bevor dieses zerstört wird.
Doch diese Abonnements haben sich nicht nur in den Konzepten der Videospiele etabliert, sondern auch in den Angeboten, die sich um diese drehen. Playstation Plus, Xbox Game Pass, EA Play, Ubisoft+, HumbleBundle, Google Stadia, Google Play Pass, GeForce Now, Netflix (mobile Spiele), Apple Arcade und GameClub sind alles Abonnements, die es dem Käufer ermöglichen bestimmte Videospiele zu spielen, solange man Mitglied bei dem jeweiligen Dienst ist. Wir sehen also, dass wir Videospiele (genau so wie Filme) als Dienste (Games as a service, GaaS) schon längst in unserem Alltag integriert haben. Die Monetarisierung durch GaaS ist also gerade ein riesiger Aspekt der Industrie und teilt sich in Freemium-Spiele, vollwertige Spiele mit zusätzlichen Mikrotransaktionen und Spiele-Abonnements auf.
Makroskandal mit Mikrotransaktionen:
Warum regen sich Gamer denn nun über Mikrotransaktionen und das GaaS-Konzept auf?
Wie oben erläutert, ist der ursprüngliche Sinn von Mikrotransaktionen der, dass man etwas Kleineres aus einem größeren Paket kaufen kann, ohne viel unnützes drumherum. Diese Idee ist mittlerweile nicht mal mehr ansatzweise vertreten. Die Transaktionen dienen nur noch dem Anbieter, aber nicht mehr dem Käufer. Sie werden schamlos in jedes Franchise hineingeworfen, um Geld damit zu machen, egal ob sie ein Spiel komplett dadurch zerstören.
Für „Dead Space 3“ waren Mikrotransaktionen so fatal, dass sie die gesamte Spielmechanik über den Haufen warf. Das beklemmende Gefühl, das man bei Ressourcenmangel verspüren sollte, wurde einfach entfernt, indem man die Ressourcen ganz einfach mit echtem Geld kaufen konnte. Wer nun denkt, dass EA mit Mikrotransaktionen nicht weiter gehen kann, als ein komplettes Spiel und dessen Mechanik zu zerstören, der hat wenig Vorstellungskraft. Bei den „Sims 3“ geht es nahezu pataphysisch mit Mikrotranskationen zu, denn alle Erweiterungen zusammengerechnet ergeben geschätzt eine unfassbare Summe von 74926,31$.
Ähnlich wie in „Dead Space 3“ verlief es auch in „Mittelerde: Schatten des Krieges“.
In diesem Titel konntet ihr gar nicht im Endgame überleben, ohne euch Hilfe durch gekaufte Inhalte zu besorgen. Das Ganze wurde zusätzlich dadurch erschwert, dass ihr euch die gekauften Objekte nicht selber aussuchen durftet, wenn ihr schon reales Geld bezahlt habt, sondern dass ihr einem Lootbox-System ausgesetzt wart.
Lootboxen funktionieren nach dem simplen System von Spielkartenpackungen (Boosterpacks): Man kauft sich eine Box für einen gewissen Preis, wobei die besseren natürlich teurer sind. Man erhält willkürlich Karten, die Spielgegenstände symbolisieren.
Man bezahlt also, um etwas wahrscheinlich zu erhalten, für das man ja eigentlich bereits bezahlt hat.
Genau hier lag das Problem bei der Veröffentlichung von „Star Wars Battlefront II“ – das Spiel, das die Diskussion um das Lootbox-System in eine neue Ebene anhob.
Die Währung im Spiel war so schwer zu verdienen, dass es einem förmlich auf dem Silbertablett serviert wurde, ein paar Euro mehr für die so genannten Kristalle (Alternativwährung im Spiel) auszugeben, um sich nicht die Zähne daran auszubeißen. Dadurch, dass die Lootboxen auf Wahrscheinlichkeit basieren, konnte man von ungefähr 2100$ ausgehen um alle Upgrades, Helden, Waffen etc. zu besitzen. Natürlich muss man nicht alle Gegenstände besitzen, doch das Alarmierende war, dass die Währung (Credits), die man durch Missionen, Kämpfe und den Handlungsmodus verdient, begrenzt war.
Aufgrund dieser Erkenntnis rechnete ein Reddit-User aus, wie viel man spielen müsste, um ein Äquivalent zu den 2100$ in Spielstunden zu schaffen. Das Ergebnis sind heftige 4528 Stunden, wenn man jeden Tag vier Stunden spielt, dann ergäbe das eine Gesamtspielzeit von ca. 6 Jahren.
Eine neue Hoffnung?
In der Geschichte der Monetarisierung von Videospielen ist es ersichtlich, dass EA nicht der Erfinder der Lootboxen, der Mikrotransaktionen oder des DLCs sind, also warum war alles gegen EA?
Spieleverleger sind Unternehmen, daran besteht kein Zweifel, aber um Profit zu erlangen muss eine Balance zwischen Spielen und Geld vorhanden sein. Spiele sind nach wie vor Kunst und sollten nicht nur wie ein simples lukratives Unterhaltungsmedium behandelt werden. EA hat nun öfters gezeigt, dass ihnen das herzlich egal ist.
Die Kombination von einigen Faktoren brachte das Fass aber endgültig zum Überlaufen:
1. EA wurde schon zweimal hintereinander zur schlechtesten Firma Amerikas gewählt.
2. Alle damaligen Titel (Need for Speed: Payback, Fifa usw.) besitzen dieses Lootboxsystem.
3. Die Schließung von Visceral Studios, die seit Jahren an einem Einzelspieler Star Wars Titel arbeiteten, der jetzt den „Umständen der Gamingbranche“ angepasst werden muss.
4. Die vielen Kontroversen um „Mass Effect: Andromeda“
5. Der saure Nachgeschmack der Lootboxen von „Mittelerde:Schatten des Krieges“ ( vertrieben von WB nicht EA).
Nach einigen Versuchen von EA die Spieler zu besänftigen artete jedoch alles aus und es schlossen sich Gruppierungen zusammen, die „Star Wars: Battlefront 2“ boykottierten.
Dieser Skandal schaffte es zu einigen nationalen Nachrichtenschlagzeilen und drang sogar bis in Gerichte vor, weshalb in ganz Europa (Belgien, Deutschland, Niederlande), Australien, Asien (Japan, China, Südkorea) und Nordamerika Videospiele mit Lootboxen in irgendeiner Weise markiert, verboten oder transparent gemacht werden müssen.
Trotzdem fielen die EA Aktien am DAX um 6%, was ein neues tief für die Firma war. Auch Disney – deren geistiges Eigentum Star Wars ist – waren über dieses Lootbox-Fiasco nicht glücklich. Nach all dem Chaos hat „Star Wars: Battlefront 2“ letztendlich extrem den Kurs von EA, die internationalen Gesetze und die Gamingindustrie beeinflusst.
War es das also? Hat diese Lehre endlich den gewaltigen Moralkompass gesetzt, den die Videospielindustrie einst verloren hat?
Oder hat der Konsument den Kampf gegen die Technikgiganten verloren? An dieser Stelle sollten wir anders fragen: hat der Konsument den Kampf überhaupt begonnen? Die Industrie bietet nur solche Konzepte an, die auch gewinnbringend sind und laut den offiziellen Statistiken gibt es genügend Spieler, die nach all dem Aufschrei über „Fifa“, „Assassins Creed“ und „Call of Duty“ genau diese Titel weiterhin fördern. „Assassins Creed Valhalla“ ist sogar der erfolgreichste Teil der gesamten Reihe. „Cyberpunk2077“, „Star Wars: Battlefront II“ und „No Man Sky“ wurden einheitlich boykottiert, weshalb in diesen Spielen und in den Managementstrukturen der Entwicklerstudios eine Veränderung stattgefunden hat. Was wenn jedoch selbst die komplette Boykottierung eines Produktes nicht den Kurs ändert und wie im Falle von „Marvel’s Avengers“ das Entwicklerstudio (damals Square Enix/Crystal Dynamics) weitermacht? Vor ein paar Tagen wurde der PC-Mobile-App-Hybrid „Diablo Immortal“ veröffentlicht und Blizzard Entertainment hat absolut nichts ausgelassen den Spieler zu zwingen in irgendeiner Form Geld für Mikrotransaktionen auszugeben.
1. Es hat ein Lootbox-System und Blizzard möchte die internen Zahlen nicht veröffentlichen, weshalb es in Belgien und den Niederlanden nicht veröffentlicht wird.
2. Um seine Ausrüstung vollständig aufzuwerten/leveln, wird man ca. 50.000$ im besten Fall und über 100.000$ im realistischen Fall benötigen.
3. Die Objekte die man kauft sind auf einen Charakter auf einem bestimmten Server gebucht und können nicht übertragen werden.
4. Es gibt kaufbare Objekte (z.b. Boon of Plenty), die nur Bonusinhalte bringen, wenn ihr euch tagtäglich einloggt und nur für die gewisse Zeit euer Inventar vergrößert.
Spieler der ganzen Welt (abgesehen wahrscheinlich von Belgien und den Niederlanden) sind im großen Aufruhr über diese Vielzahl von Ansätzen Mikrotransaktionen in ein Spiel einzubauen. Es wird sich also zeigen, ob „Diablo: Immortal“ bzw. Blizzard Entertainment dasselbe Schicksal wie EA trifft oder ob der Umschwung bei „Star Wars: Battlefront II“ vorerst der Letzte war.
Wie auch das Resultat sein wird, es ist nicht zu leugnen, dass das Konzept GaaS ein gewaltiges Problem darstellt, solange es unkontrolliert bleibt. Wie sehr und wie tief dieses Problem seine Schneisen durch die Branche zieht, erfahrt ihr im zweiten Teil:
Geld und Gaming: Teil 2: Gamebling: Monetarisierungsmodelle in Videospielen
Danke fürs Lesen!
Text: Daniel Engel (ZeBlog)
Illustration: Daniel Engel (ZeBlog)