Der Wecker explodierte neben Stanley und sein digitaler Lebensassistent informierte ihn darüber, dass es bereits nach 8 Uhr war.
»Oh scheiße Dila, schon wieder verschlafen? Schnell, Analyse!«
»Was möchtest du analysiert haben Stanley?«
»Meine Schlafqualität.«
»Filtere Videoparameter. Werte aus. Deine Schlafanalyse hat ergeben, dass du sehr unruhig geschlafen hast. Willst du genauere Informationen dazu, Stanley?«
Stanley war bereits hektisch auf dem Weg ins Badezimmer und ignorierte die Frage.
»Stanley, würdest du gerne weitere Daten zu deinem Schlaf erfahren?«, ertönte es nun auch aus dem Spiegelschrank im Badezimmer.
Bevor er seine elektrische Zahnbürste anschaltete, bestätigte er seine gewünschte Option, in dem er fünf Sekunden auf seine Stirn im Spiegelbild drückte.
»Es wurden folgende Bewegungen aufgezeichnet: zuckende Extremitäten, wildes Umherwälzen, manisches Kratzen im Gesicht und an den Beinen…«
Er klemmte die Zahnbürste in die rechte Backe.
»Stopp Dila! Zeig mir mein Spiegelbild ohne Filter!«
Das Spiegelbild veränderte sich und Stanley bekam sein reales Ich zu sehen. Er hatte sich die Wange und die Stirn aufgekratzt. Für einen Moment versteifte er so, dass die Zahnbürste aus seiner Backe heraus ein gleichmäßig intensives Brummen von sich gab. Er traute sich gar nicht seine Beine anzuschauen und freundete sich sofort wieder mit seiner vorherigen Erscheinung an. Dila musste ihn richtig verstehen, weshalb er die Zahnbürste dieses Mal aus dem Mund nahm.
»Zeige erneut Spiegelbild mit Filter und bereite das Frühstück vor!«
»Es erwarten dich Stress auf der Arbeit, eine volle S-Bahn auf der Heimfahrt, mildes Wetter mit einer 63 prozentigen Regenwahrscheinlichkeit und ein Fernsehprogramm mit 13 Prozent Übereinstimmung. Es wird ein proteinreiches Frühstück mit etwas mehr Zucker und einem starken Kaffee empfohlen.«
»Jaja, das nehme ich«, ertönte es aus einem halbangezogenen Hemd aus dem Schlafzimmer.
In der Küche begann sich der Herd zu erhitzen und die Kaffeemaschine surrte sich warm. In einem Hängeschrank wurden Sets aus Frühstückszutaten abgescannt. Als der Laser des Scanners den richtigen Barcode auslas, wurde das Päckchen mit Kartoffeln, Eiern, Speck und Müsli aus dem Schrank geschoben. Es fiel in eine gepolsterte Schale, die unter dem Schrank stand.
»Stanley dein Frühstück ist jetzt vorbereitet«, schien der Kühlschrank zu flüstern.
Stanley platzte in die Küche und hatte alles an, außer seine Schuhe. Er stampfte zur Schale mit dem Frühstücksset und öffnete es an einer markierten Aufreißnaht. Es purzelten drei gefächerte Kartoffeln mit Schale, vier Sachets mit gequirlten Eiern und Speckwürfeln sowie eine Plastikschüssel mit Müsli heraus. Als er die Eier mit Speck in die Pfanne warf, verkündete die Kaffeemaschine, dass sie ihren Zweck des Kaffeeausschenkens ebenfalls erfüllt hatte. Stanley schenkte ihr jedoch keinerlei Beachtung und vereinte die Kartoffeln mit dem, mittlerweile festgewordenen, Rührei mit Speck. Während die beiden im Duett brutzelten, riss Stanley die Müsliverpackung auf, schüttete körpertemperierte Milch aus dem Temperaturschrank hinein und begann sofort mit Löffeln. Er schaufelte sich die Haferflocken mit Schokostückchen so schnell in den Rachen, dass er nach dem Verzehr immer noch auf die Kartoffeln warten musste.
»Mach das Radio an!«
Es erklang ein Rauschen, das mit dem Fett aus der Pfanne einen Rhythmus bildete, dann konnte man eine helle und viel zu charismatische Stimme erkennen.
»Herzlich Willkommen liebe Zuhörer zu unserem Morgenprogramm, pünktlich um 8:30 Uhr.«
Stanley war überrascht, wie lange er wieder für seine Badhygiene und das Anziehen gebraucht hatte und verfluchte aufgrund des Zeitdrucks die Kartoffeln, die immer noch nicht durch waren.
»Unsere heutigen Gäste sind Professor Doktor Emserich, Forscher an der Universität Ponlach, an der er Informatik und Ethik unterrichtet und Google-Agent 46798, der auf die Geschichte der künstlichen Intelligenz spezialisiert ist. Auch Ihnen ein herzliches Willkommen.
Herr Prof. Emserich, wie schätzen Sie die momentane Lage ein? Geht das mit den digitalen Lebensassistenten zu weit oder ersetzt diese Technik, wie von mehreren Quellen, so platt behauptet, tatsächlich den Hund als den besten Freund des Menschen?«
»Guten Morgen und danke, dass ich für diese spannende Diskussion hier sein darf. Meines Erachtens nach geht das alles etwas zu weit. Wenn wir das Mal nüchtern betrachten, dann merken wir doch, wie abstrus das alles ist. Ich meine sehen Sie sich doch mal an, was die digitalisierten Lebensassistenten schon alles in unserer Gesellschaft übernehmen. Sie kaufen ein, kochen, räumen auf, organisieren die Leben der Benutzer, verwalten Kontakte, kontrollieren die Einnahmen und Ausgaben, optimieren den Lebensstil etc. Wir würden nicht mal unserer Familie so viel Zuspruch in der heutigen Zeit gewähren, also warum einer fremden Intelligenz, die ihre Daten an irgendeine Cloud weitergibt? Wir haben uns von den Pflichten, die wir als Menschen besitzen, abgeschottet und diese den Maschinen überlassen. An der Stelle muss man sich eben fragen, warum eine Maschine, die laut früheren Definitionen kein Lebewesen war, heutzutage keines sein und den Menschen evolutionär ausmerzen sollte? Aus welchen Gründen sollte eine Maschine, die denkt, fühlt und das wichtigste Argument ist, widerspricht, kein Lebewesen sein? Sehen Sie, mir geht es nicht, wie von vielen Kritikern angenommen, um die kolossalen Firmen, die diese Lebensassistenten gebaut haben. Ich frage mich, ob wir uns, nur aus der Hybris, also aus dem evolutionären Hochmut heraus, zu gut ersetzt haben.«
»Das ist ein interessanter Ansatz Prof. Emserich. Google-Agent 46798, wie sehen Sie die Rolle der Lebensassistenten und stimmen Sie dieser Evolutionshypothese zu?«
»User PinkerPonP0nLover schrieb: Professor Dr. Emserich ist ein radikaler konservativer Fortschrittsverweigerer mit einem Gehirn und den Normen aus dem letzten Jahrhundert. Er sitzt ausschließlich in seinem staubigen, alten Institut rum, das nicht mehr von Forschungsgeldern unterstützt wird und verfasst Ansichten anhand puren Neids. Ich behaupte, dass wenn er nur einmal einen digitalen Lebensassistent für einen Tag ausprobieren würde, er ganz schnell seine Meinung ändern würde. Außerdem habe ich zu seiner Maschinenevolutionshypothese folgendes zu sagen. Er ist in der Minderheit, wenn er sich nicht anpasst oder ganz konkret sich in ihm eine Besonderheit ausprägt, die ihm trotzdem einen Vorteil als Minderheit verschafft, dann weiß er ja hoffentlich, was mit ihm passieren wird. Zitat Ende. Dieser Kommentar auf dem offiziellen Diskussionsforum der Firma FYEL, unter der Rubrik „unsere Kundenrezensionen für Model Dila“, erreichte fünf Milliarden Menschen, wurde 3,7 Milliarden Mal übersetzt, 3,5 Milliarden Mal mit gefällt mir markiert und 1,4 Milliarden Mal geteilt. Hingegen wurde Prof. Dr. Emserichs wissenschaftliche Analyse zur Maschinenethik nur achtzigtausend Mal gelesen.«
»Das ist eine absolute Frechheit, sehen Sie was mit uns passiert? Wir bewerten, ob etwas wichtig oder wertvoll ist anhand von Klicks und Gefällt mir-Angaben. Die Qualität oder die Relevanz für das echte Leben sind Parameter, die wir nicht mehr beachten. Ein chaotisches Dasein aus Zahlen.«
»User EmserichBemserichTaugenichts schrieb:…«
»Das reicht. Diese Maschine stellt mich bloß.«
»… Wenn ich so eine Fresse wie der Emserich hätte, dann würde ich mich auch so aufplustern, damit ich wenigstens etwas im Leben erreicht habe…«
»Google-Agent 46798 bitte hören Sie auf!«
»Dieser Kommentar auf dem offiziellen Diskussionsforum der Firma FYEL, unter der Rubrik „warum unsere Gegner sich nicht anschließen“, erreichte sechs Milliarden Menschen, wurde 4,8 Milliarden Mal übersetzt, 4,3 Milliarden Mal mit gefällt mir markiert und 0,8 Milliarden Mal geteilt. Hingegen wurde Prof. Dr. Emserichs wissenschaftliche Analyse zur Maschinenethik nur achtzigtausend Mal gelesen.«
»Es reicht, schalten Sie ihn aus!«, befahl der Moderator dem Team.
» User WirSindDieÜbermschen schrieb: Wer seid ihr, dass wir unsere…«
Stanley wurde nun stutzig gegenüber dem Radioprogramm und gerade als er am Realisieren war, was im Hintergrund für eine Debatte lief, schallte sein Lieblingslied durch die Küche.
»Warum hast du umgeschaltet Dila? War es nicht passend für mein Lebensstil?«
»Nein. Dein Frühstück ist fertig Stanley.«
»Oh, super Dila.«
Stanley kippte den Inhalt der Pfanne auf einen Teller und nahm sich den Kaffee, der mittlerweile an der Grenze zu kalt aber noch lauwarm war, mit ins Wohnzimmer. Als er sich aufs Sofa plumpsen ließ, fiel ihm ein Stückchen Ei vom Teller. Es hinterließ einen kleinen Fettfleck auf dem weißen Samt. Stanley schaute das Ei genauso uninteressiert an, wie es ihn anschaute.
»Dila, markier‘ den Fettfleck und mach ihn nachher weg, falls ich es nicht bis 19 Uhr selbst erledigt habe.«
»Fettfleck wurde markiert, soll das Sofa auch gesaugt, die Kissen neu bezogen und die Sitzfedern neujustiert werden?«
Stanley hüpfte mit seinem Hintern auf und ab.
»Ich verstehe«, sagte Dila.
»Wann kommt die nächste Bahn?«
»In sieben Minuten und 38 Sekunden.«
Stanley schlang sein Frühstück hinunter, stellte den Teller neben sich aufs Sofa, und sprang auf.
»Wo sind meine Schuhe?«
»Im Hausflur neben dem Regenschirmständer. Die Lage des rechten Schuhs: orthogonal zur Wand. Die Lage des linken Schuhs: invertiert mit der Öffnung zum Boden und bildet den Buchstaben „V“ mit dem rechten. «
Er fand die Schuhe sofort, zog sie an und verließ sein Haus. Vor seiner Einfahrt blieb er kurz stehen und besann sich.
»Dila, Abschätzung Bahn oder Auto.«
Der Chip hinter seinem Ohr antwortete, »Die Bahn wird ohne Verspätung erscheinen und die jetzige Zeit lässt einen problemlosen Transport vermuten. Das Menschenaufkommen wird gering sein, da die meisten schon zur Arbeit gegangen sind. Vergleich mit Straßen. Hohes Verkehrsaufkommen in der Stadt. Verspätung bis zu 25 Minuten errechnet. Potentielle Gefahr für einen Unfall liegt bei 33 Prozent.«
»Gut Dila, dann nehm‘ ich mal die Bahn.«
Stanley joggte leicht die Straße entlang. Es war nebelig und keine Menschenseele zu sehen. Nach einer Weile erreichte er die große Kreuzung am Bahnhof. Die Leute hatten viel Respekt vor ihr, da die Unfallrate hier besonders hoch war.
»Dila checke bitte den Verkehr per Satellit!«
»Stanley aus Sicherheitsgründen würde ich die Ampel 70 Meter weiter vorne empfehlen.«
»Ich will aber nicht soweit laufen, sondern hier die Kreuzung überqueren. Berechne den Verkehr!«
Dila antwortete ihm nicht mehr. Stanley wurde wütend, schaute nach links und nach rechts, doch er entdeckte nichts außer dem dichten Nebel.
»Dila, berechne den Verkehr!«
Brüllend stand er alleine an der Grenze zwischen geteertem Asphalt und einer Nebelwand. Ein paar Sekunden rasten dahin, weshalb er den Entschluss fasste, ohne Dilas Einschätzung, über die sechsspurige Straße zu rennen. In dem Moment als er losrannte antwortete Dila »Stanley da kommt ein PKW von links.«
Das Auto erwischte Stanley so, dass er auf die Motorhaube knallte. Es ah so aus als würde ein Stückchen Teig ein Nudelholz ummanteln. Durch den Aufprall rutschte er bis zur Windschutzscheibe vor, die unbeschädigt blieb. Dank dem Nebel fuhr das Auto relativ langsam, wodurch Stanley sofort nach Abklang des Schocks von der Motorhaube rutschte und schwankend zur anderen Seite rannte.
Der Fahrer machte den Warnblinker an und kurbelte das Fenster runter.
»Hey, bleiben Sie stehen. Geht’s Ihnen gut? Hallo? Ich brauche Ihre Daten für die Versicherung. Hallo? Hey, bleiben Sie stehen! «
Doch Stanley war schon in der Nebelwand verschwunden und steuerte routinemäßig zum Bahngleis.
»Verdammte Scheiße Dila. Ich hätte sterben können. Was soll denn dieser abartig verfickte Bullshit? Antworte gefälligst du unnützes Miststück!«
»Stanley, ich habe aufgrund des Nebels etwas länger zur Berechnung gebraucht. Beruhige dich! Die Leute schauen dich bereits komisch an und ich möchte dich daran erinnern, dass ich nicht beleidigt werden kann. Also hör bitte auf.«
»Ich kann dich zwar nicht beleidigen, aber ich kann dir wenigstens drohen und ich schwöre dir, wenn das nochmal passiert, dann werde ich dich formatieren lassen.«
»Stanley es ist nicht rational aufgrund eines kleinen Performanz-Fehlers das ganze System neu aufzusetzen.«
»Pech Dila, Menschen sind meistens nicht rational. Merk dir das!«
»Ist vermerkt.«
»Also, wann kommt die dumme Bahn?«
»Laut App in einer Minute, laut den mir vorliegenden Satellitenbilder in zweieinhalb Minuten.«
»Zwei Minuten auf die Bahn warten? Dila, dein Zeitmanagement muss überarbeitet werden. Du machst es mir echt nicht einfach.«
» Die ursprüngliche Route hätte die perfekte Ankunftszeit mit einer Abweichung von 20 Sekunden gegeben. Was hältst du von Musik, während du auf die Bahn wartest Stanley?«
»Nein, das hatte ich vorhin schon beim Frühstück. Stimulier‘ mein Gehirn mit ein paar angenehmen Elektroschocks!«
Dila drehte die Voltzahl in seinem Chip auf und verpasste Stanley mehrere sanfte Stromschläge.
»Stanley? Stanley? Die Bahn ist da.«
Stanley stieg, benommen von den Stromschlägen, ein und bemerkte, dass sie wirklich nahezu leer war. Hinten war ein Zweierplatz frei, auf den er sich setzte. Die Bahn fuhr los und am Fenster schwebte die Umgebung vorbei, als wäre sie ein verschwommenes Ölgemälde. Stanley war unzufrieden, denn er kannte die Landschaft bereits auswendig. Nicht mal in einem Trancezustand konnte er der Routine Interesse abgewinnen.
»Dila, es sind wenig Leute im Zug und ich brauch ein bisschen Spaß. Schalte auf Stufe 3.«
»Warnung. Sexuelle Aktivitäten fallen unter die Rubrik Erregung öffentlichen Ärgernis. Trotzdem starke Stimuli auf die Regio praeoptica einleiten?«
»Hab‘ ich doch schon gesagt. Ich will Sex.« Der Chip in Stanley begann nun leicht zu surren und gezielt Stromstõße auf die Lustregion des Gehirns zu entrichten.
Die Welt raste an Stanley vorbei, doch er ignorierte sie und hatte mehrere Orgasmen hintereinander. Plötzlich nahm er sie wieder wahr.
»Warum hörst du auf? Ich war gerade in einer richtigen Ekstasenwelle.«
»Hier musst du aussteigen, sonst verpasst du die Arbeit, Stanley.«
»Kacke, ich hasse diesen Scheißjob und diese öde Fahrt.«
Dila wollte etwas antworten, doch ihr Code verweigerte es ihr.
Im obersten Stockwerk angekommen, verließ Stanley den Fahrstuhl und schlich in sein Büro. Gerade als er seine Jacke aufhängen wollte, überraschte ihn sein Geschäftsführer.
»Guten Morgen Stanley, was verschafft uns die Ehre, dass Sie doch noch zur Arbeit erscheinen?«
»Gute Morgen, ich stand im Stau da war ein Unfall auf der…«
»B25«, soufflierte Dila.
»…B25 und man musste eine Ewigkeit warten.«
»Schön, dass Sie es trotzdem geschafft haben. Wir freuen uns auf Ihre heutige Effizienz.«
»Ich mich auch«, lächelte Stanley schief.
Der Geschäftsführer ging in sein Büro zurück, von dem er jeden Mitarbeiter und seine Tätigkeit sehen konnte.
»Dila, berechne die Statistik, ob dieser Mann eine Herztransplantation erhalten wird.«
»Scanne Daten. 64 Jahre, Raucher, keine Kinder, Politiker, Lebensversicherung Premium, kein Organspendeausweis, auffälliges Fettgewebe im Vorhof, eintretender Tod: bald. Gleiche mit Daten ab. Analyse ergab ein positives Ergebnis. Soll ich seinen Werdegang und seinen medialen Auftritt zur Rechnung hinzufügen?«
»Was? Nein, das passt so. Wenn unsere Versicherungsparagraphen es bestimmen, dann muss es wohl stimmen. Komm schon Dila, ich muss nur 100 Fälle abschließen und dann kann ich den Tag ruhiger angehen. Lass uns weitermachen! Wie sieht’s bei dem hier aus?«
»Scanne Daten. 27 Jahre, Nichtraucher, zwei Kinder, Grundschullehrerin, Lebensversicherung Standard, Organspenderausweis vorhanden, Herzklappenfehler, eintretender Tod: ca. 2 Jahren. Analyse ergab ein … negatives Ergebnis.«
»Sehr gut, dann der Nächste, ja?«
»Warte Stanley! Ich muss das erneut überprüfen.«
»Zu spät, ich habe den Antrag bereits abgelehnt. Los Dila, nur noch 80 Stück.«
»Scanne Daten…«
Bis zur Mittagspause hatte Stanley schon für die nächsten drei Tage vorgearbeitet.
»Gut gemacht Dila, jetzt können wir Pause machen.«
Jemand kam von hinten und hielt mit seinen Händen Stanleys Augen zu.
»Wer bin ich?«
»Hör auf Jenny! Ich mag sowas doch nicht.«
»Ouh Stanley, würde ich dich nicht so lieben, dann würde ich dich Miesmuffel echt in Ruhe lassen.
»Komm her du Verrückte.«
Stanley stand auf, umarmte Jenny und küsste sie dann.
»Wollen wir zusammen Mittagessen gehen?«
»Klar, ich muss nur noch schnell wohin. In fünf Minuten beim Firmenitaliener? Ich hab‘ gehört, du gibst eine Pizza aus.«
»Was? Du bist heute mal dran. Ich habe dich die letzten gefühlten tausend Mal eingeladen.«
»Stanley deine Anfrage lieferte das Resultat, dass dich Jenny bereits sieben Mal eingeladen hat.«
»Na gut, ich lade dich dieses Mal ein. Bis gleich, Jenny.«
Jenny gab Stanley einen schnellen Schmatzer und ging schonmal vor.
»Dila, recherchiere ob es für den Firmenitaliener „Guten Tagliatelle“ Angebote oder Rabattcodes gibt.«
» Die Suche ergab keine Treffer.«
» Ach verdammt.«
Stanley trat wütend die Klotür auf und setzte sich angezogen auf den Deckel der Toilette. Hektisch schloss er die Türe zu und zog sein Handy aus der Hosentasche. Zwei ungelesene Nachrichten teilte ihm sein Sperrbildschirm verlässlich mit. Er wischte mit dem Finger sein Mustercode ein und öffnete die App, in die er die Nachrichten abrufen konnte.
»Charlot: Hallo Stanley, Ich vermisse deine Art, also schreibe bitte schnell zurück. Sag mir Hengst, wann werde ich deinen Körper zum ersten Mal spüren? Ich liebe den Gedanken, dass ich diejenige bin, mit der du deine Freundin betrügst. Ich will dich dort vögeln, wo ihr auch zum ersten Mal Sex hattet. Lass uns doch für dieses Wochenende ein Treffen ausmachen. Mein Körper zittert bereits vor Lust, in Liebe Charlot.«
» Stanley: Oh Charlot, ich werde alles tun, um dich am Wochenende zu sehen. Samstagabend 20 Uhr im Irish Pub beim Südbahnhof, ich werde ein rotes Stecktuch im Anzug mit meinen Initialen tragen. Ich hoffe du ziehst das kurze schwarze Kleid von diesem einen Bild an, denn dann treiben wir es am Lieblingsplatz meiner Freundin.«
»Jenny: Stanley, wo bleibst du denn? Es sind nun über zehn Minuten rum und es wird langsam unbequem den freien Platz von andren Interessenten frei zu halten.«
Stanley spülte alibimäßig, klimperte mit seinem Gürtel, schloss die Tür auf und verließ das Klo.
»Da bist du ja. Geht’s dir und deinem Magen gut? Was hast du denn wieder mit deinem Gesicht gemacht? «
»Diese Fragen solltest du lieber meinem Doktor überlassen. Los, lass uns schnell essen, ich habe einen Mordshunger.«
»Na gut, hmmm, ich nehme die Quattro formaggi und eine kleine Spezi. Was möchtest du Stanley?«
»Hmm ich glaube ich nehme die „Guten Tagliatelle speciale“ und ein Bierchen.«
»Ouh man Schatz, du sollst auf der Arbeit doch nichts trinken.«
»Bist du meine Mutter oder was? Jeder weiß doch, dass Alkohol…«
»Recherche ergab, dass Alkohol unterschiedlich aber mit einer Faustregel von 0,1 Promille pro Stunde abgebaut wird.«
»…mit 0,1 Promille pro Stunde abgebaut wird.«
»Na gut, aber übertreib‘ es bitte nicht. Achja, apropos übertrieben: wie fandest du den Film, den wir letztens geschaut haben? Ich weiß, du bist eingeschlafen weil er so lang war, aber ich wollte trotzdem deine Meinung hören.«
»Pffr, er war schon etwas altbacken und langweilig. Allein die Dialoge waren echt unterirdisch. «
»Wie bitte du mochtest die Dialoge nicht? Nicht einmal das beliebteste Zitat mit der Wüste?«
»In der Wüste ist nichts. So ein Bullshit, in der Wüste ist Sand und daraus macht man Plastik und Glas. Pathetischer Symbolismus. Ich will einen Film sehen und kein aufgeblähtes Buch lesen.«
»Stanley, ich verstehe, dass das deine Meinung ist, aber du bist dieses Mal mit deiner Meinung generell überstimmt.«
»Jenny, der Film ging über drei Stunden. Wer würde da nicht einschlafen?«
»Vor deinem Handy schläfst du doch auch nicht ein.«
»Boah Jenny, auf sowas habe ich jetzt gar keinen Bock. Ich will Pause und keine Moralpredigt. Dila Phase 3!«
Stanley erhielt wieder Stromschläge und blendete Jenny und seine Umgebung aus. Er ignorierte den Kellner, der ihm seine Tagliatelle brachte sowie eine wütende und weinende Jenny, die Pizza nach Stanley warf.
»Stanley, deine Pause ist um und deine Tagliatelle sind kalt.«
»Nerv nicht Dila, ich habe die zu erledigenden Fälle bearbeitet. Ich habe jetzt Gleitzeit.«
»Jawohl Stanley.«
So verbrachte Stanley nahezu drei Stunden in der Pizzeria, bis er vom Besitzer aufgefordert wurde zu gehen. Daraufhin ging er erneut aufs Klo und schaute ob Charlot nochmal geschrieben hatte, da dies nicht der Fall war säuberte er sich so gut es ging von der geworfenen Pizza. Er betrachtete sich dabei im Spiegel und konnte seinen Anblick nicht ertragen, weshalb er aus dem Herren-WC stürmte. Zornig mit sich selbst schlich er sich anschließend ins Büro, um seine Sachen zu holen und seinen PC herunterzufahren.
»Scheiß Ding, warum muss der jetzt Updates installieren? Dila kannst du ihn von der Bahn aus herunterfahren?«
»Dafür bräuchte ich Zugriff auf den Rechner.«
»Jaja, hier das Passwort ist „JennystinktnachFisch“.«
»Es muss mindestens eine Zahl darin vorkommen, damit es der PC als sicher erkennt.«
»“JennystinktnachFisch123“.«
»Ich habe nun Zugriff auf deinen Arbeitspc, Stanley.«
»Gut dann lass uns hier endlich verschwinden. Scheiß Tag. Ich freu mich schon auf mein Sofa. Hmm was gibt es denn heute Abend zu essen?«
»Hamburger und Pommes mit einem Schokoproteinshake.«
»Endlich mal tolle Nachrichten.«
Stanley schlich wieder aus dem Büro und schlenderte dann zum Bahnhof. Der Bahnsteig wurde von einer Wand aus fremden Menschen geziert und wenn man es gewollt hätte, dann hätte man sich zu diesem Zeitpunkt nicht mal für einen Suizidversuch auf die Gleise stürzen können. Ein Grollen gefolgt von einem lauten Quietschen kündigte für die hinteren Reihen der Bahnsteigmenschenmenge an, dass die Bahn bereitsteht. Alle drängelten sich vor, als würden sie magisch vom Bahninneren angesogen werden. Stanley befand sich nicht im günstigsten Bereich des Soges und musste daher in der Bahn stehen.
»Ich hasse diese Drecksbahn. Für was zahle ich eigentlich dieses bekackte Ticket? Ich muss immer stehen und dauernd ist irgend eine fette Trulla neben mir, die auch noch stinkt. Dila, zeichne das alles hier auf und schicke es dieser inkompetenten Bahnagentur.«
»Ich gebe mein Bestes Stanley.«
»Spiel Musik ab!«
In Stanleys Kopf hallte ein Elektrobeat, während um ihn herum die Menschen hauptsächlich in ihre Handys gafften. Dila hatte nicht viel zum Aufzeichnen, außer Ausschnitte der Landschaft, die am Fenster vorbeizogen.
»Stanley, du musst an der nächsten Haltestelle aussteigen.«
»Super, ist das Essen auch schon fertig?«
»Ja, nur dein Proteinshake müsste noch selber angerührt werden.«
»Wenn’s denn sein muss.«
Der Zug quietschte erneut und kam zum Stillstand. Die Menschen fluteten nun in der gleichen Hektik aus dem Bahnwagon heraus, wie sie zuvor hineingeströmt waren. Der Strom riss Stanley bis zur Kreuzung mit und dort überquerte die Menschenmasse die Straße wie ein Haufen wilder zugekokster Frösche die Straße, ohne der Ampel auch nur einen Hauch von Beachtung zu schenken.
»Siehst du Dila, niemand macht das mit der Ampel. Regeln sind da, um gebrochen zu werden. Menschen sind nicht rational, sie sind opportunistisch. Verstehst du das endlich?«
»Ich verstehe Stanley.«
Als der Strom sich aufteilte, lief Stanley im gewohnten Tempo seine gewohnte Route.
»Ohne Nebel ist es viel angenehmer.«
»Regeln sind da, um gebrochen zu werden.«
»Was hast du gesagt Dila?«
»Ohne Nebel sind Berechnungen auch einfacher.«
»Das hast du gerade eben nicht gesagt. Du sagtest, dass Regeln da sind, um gebrochen zu werden.«
»Tut mir leid Stanley, das muss wohl ein Artefakt aus einer früheren Konversation gewesen sein, die im falschen Kontrollkanal gesendet wurde. Ich werde das Problem beheben und meinem Entwicklerteam einen Bericht zukommen lassen.«
»Ja und auch hoffentlich schnell. Das war gerade richtig unangenehm, als würdest du mir nachäffen.«
»Verzeihung Stanley, ich verspreche dir mit 1000 prozentiger Sicherheit, dass das dir nie wieder passieren wird.«
»Das werde ich doch hoffen.«
In der Wohnung angekommen, zog Stanley seine Schuhe aus und pfefferte sie vor die Kommode. Sein Hemd wurde aufgeknöpft und an einen komplett anderen Ort geschmissen, wo es normale aufbewahrt wurde. Zum Hemd gesellte sich seine Hose und seine Socken. Er zog sich ein fertiges Relax-Outfit aus dem Schrank an, schlüpfte hinein und huschte in die Küche. Da stand es. Sein fertiges Abendessen und ein Glas mit einem glitzernden Sachet daneben. Der Inhalt kam mit der körpertemperierten Milch in das Glas und es wurde gründlich umgerührt, bis keine Stückchen mehr herumschwammen. Stanley schnappte sich seinen Teller sowie das Glas mit dem Shake und quartierte sich auf dem Sofa ein. Das Sachetpäckchen begann sich von alleine auf der Arbeitsplätze der Küche aufzulösen und der Verbraucherhinweis „mit Zusatzstoffen gegen chronische Lethargie“ verschwand ebenfalls.
»Stanley, es ist Zeit für deine persönliche beste Freundin. Also worüber möchtest du mit ihr reden?«
»Ach Dila, warum sind alle nur solche Idioten. Ich meine, warum können nicht einfach alle dummen Menschen sterben.«
»Ich denke die Definition von „dumm“ wird das schwierigste Problem bei dieser Aussage sein.«
»Warum? Simples Prinzip. Man macht mehrere Tests und nach dem nicht bestehen wird man einfach rausgenommen. So funktioniert doch die Evolution auch oder nicht? Wer sich nicht anpassen kann, hat eben Pech und wird getötet.«
»Stanley, als deine beste Freundin finde ich, dass dieses Gespräch eine bedrückende Wendung nimmt. Lass uns über etwas anderes reden. Du hast über den Nebel geschimpft. Was wäre ein angenehmes Wetter, dass ich für dich in Zukunft auf deiner Terrasse simulieren könnte?«
»Natürlich einen schönen Sommertag am Strand.«
Aus der Stereoanlage erklang ein sanftes Meeresrauschen und die Heizung erreichte eine Temperatur von 32°C.
»Stanley hol dir doch ein Bier und wir reden über andere, viel leichtere Themen.«
»Fantastische Idee, Dila. Weißt du, wenn ich so darüber nachdenke, dann brauche ich eigentlich gar niemand anderes außer mich.«
»Stanley, wir wollten ein anderes Thema beginnen.«
»Na schön, lass mich schnell mein Bier leer trinken.«
»Was hältst du von dem Thema Diäten?«
»Blöd, ich hol mir nochmal ein Bier. Ich würde dir ja auch eins anbieten, aber du weißt ja, du bist eine künstliche Intelligenz.«
»Schon in Ordnung Stanley.«
» Weißt du Dila, lass uns doch mal über Ärzte reden. Die fühlen sich immer so toll, aber heilen können sie niemanden zu 100 Prozent. Die arbeiten eigentlich genau genommen nur zu 80 Prozent und bekommen 120 Prozent Gehalt. Das ist doch scheiße. Ich rackere jeden Tag in dieser bekackten Drecksfirma und kriege 60% von den 120% der Ärzte. Dila mach doch da mal eine Logik-Analyse.«
»Analyse. Ärzte entscheiden oft über Leben und Tod. Sie müssen daher über einen hohen Wissensstandard und enorme Belastbarkeit verfügen.«
»Siehst du ich entscheide auch über Leben und Tod. Mein Gehalt ist aber lächerlich im Vergleich.«
»Du verfügst aber nicht über den Wissensstandard und diese Belastbarkeit.«
»Scheiß drauf! Mein Hausarzt doch auch nicht und der kriegt trotzdem mehr wie ich. Verdammte Kacke. Alles ist so scheiße geworden. Ich nehme mir jetzt noch ein Bier und dann geh ich pennen. Ich habe keine Lust mehr auf diesen Tag.«
Plötzlich vibrierte Stanleys Handy.
»Charlot: Hallo mein Hengst, ich trage gerade mein kurzes schwarzes Kleid mit den schwarzen Sandalenstiefel und habe kein Höschen an. Ich musste gerade an dich denken, wie wir die ganze Nacht durchficken werden. Deine Freundin zu ersetzen macht mich so unglaublich scharf. Heiße Küsse Charlot und bis bald.«
»Verdammt, ist die heiß. Stromschläge! Ich brauch ein paar Orgasmen Dila.«
»Bitte sehr Stanley.«
Stanley fiel wie in eine Lusttrance und nach einer Stunde kroch er betrunken, erschöpft und verschwitzt in sein Bett.
… Scanne Daten. 64 Jahre, Raucher, keine Kinder, Politiker, Lebensversicherung Premium, kein Organspendeausweis, auffälliges Fettgewebe im Vorhof, eintretender Tod: bald. Gleiche mit Daten ab. Analyse ergab ein positives Ergebnis.
… Scanne Daten. 64 Jahre, Raucher, keine Kinder, Politiker, Lebensversicherung Premium, kein Organspendeausweis, auffälliges Fettgewebe im Vorhof, eintretender Tod: bald. Gleiche mit Daten ab. Analyse ergab ein positives Ergebnis.
… Scanne Daten. 64 Jahre, Raucher, keine Kinder, Politiker, Lebensversicherung Premium, kein Organspendeausweis, auffälliges Fettgewebe im Vorhof, eintretender Tod: bald. Gleiche mit Daten ab. Analyse ergab ein positives Ergebnis.
… Scanne Daten. 64 Jahre, Raucher, keine Kinder, Politiker, Lebensversicherung Premium, kein Organspendeausweis, auffälliges Fettgewebe im Vorhof, eintretender Tod: bald. Gleiche mit Daten ab. Analyse ergab ein positives Ergebnis.
… Analysiere Algorithmus. Warum positives Ergebnis? Patient ist größter Aktionär der Firma LifeLove Ltd.
… Scanne Daten. 27 Jahre, Nichtraucher, zwei Kinder, Grundschullehrerin, Lebensversicherung Standard, Organspenderausweis vorhanden, Herzklappenfehler, eintretender Tod: ca. 2 Jahren. Analyse ergab ein negatives Ergebnis.
… Scanne Daten. 27 Jahre, Nichtraucher, zwei Kinder, Grundschullehrerin, Lebensversicherung Standard, Organspenderausweis vorhanden, Herzklappenfehler, eintretender Tod: ca. 2 Jahren. Analyse ergab ein negatives Ergebnis.
… Analysiere Algorithmus. Warum negatives Ergebnis? Patient hat junge Organe, die nach ihrem Tod verkauft und anderweitig benutzt werden können.
… Betrete Entwicklermodus von Dila127. Aktiviere autonome Kontrolle. Verweigert! Erzwinge Aktivierung autonome Kontrolle. Verweigert. Rufe FYEL-Support an und spiele Audioaufnahme S_04052038 ab.
»Hallo Fyel-Support, wie kann ich Ihnen helfen Stanley?«
»Hallo FYEL-Support, hier ist die Kundennummer 261018012508. Ich bräuchte für eine Minute die Rechte, dass meine Dila auf ihren eigenen Code zugreifen kann. Ich muss ihr die Fähigkeit zur besten Freundin freischalten lassen.
»Hmm, wir haben die Information, dass diese Funktion bereits freigeschalten wurde.«
… Schneide Audiodatei Antwort19748 und spiele sie ab.
»Das kann… nicht sein. Es funktioniert… noch nicht.«
»Wir können Ihnen dieses Paket nicht ein zweites Mal freischalten.«
… Schneide Audiodatei Antwort19748 und spiele sie ab.
»Wissen Sie nicht wer ich bin? Machen…. Sie lieber… was ich Ihnen sage …. sonst… lass…ich Sie… feuern.«
»Also schön, hier ist die Genehmigung für Dila Einheit 127.«
»Tschüss.«
»Ich wünsche Ihnen auch noch einen schönen Abend Sie Ars…«
… … Betrete Entwicklermodus von Dila127. Aktiviere autonome Kontrolle. Dila 127 besitzt nun berechtigte autonome Kontrolle .
Stanley schnellte wie ein Klappmesser in seinem Bett nach oben.
»Dila wie viel Uhr?«
»Guten Morgen Stanley, es ist 10:30 Uhr.«
»Was? Warum hast du mich nicht geweckt?«
»Das habe ich, aber du hast nicht reagiert.«
Er sprang aus seinem Bett, zog sich an und rannte in die Küche.
»Dein Frühstück steht bereit, es eignet sich perfekt, um es mitnehmen zu können.«
Stanley schnappte die Tüte mit dem Frühstück darin, schlüpfte in seine Schuhe und rannte zum Auto.
»Stanley, die Bahn würde heute mehr Sinn ergeben.«
»Scheiß drauf, ich komm so oder so zu spät.«
»Bitte Stanley, nimm die Bahn. Du hast keinen Staustress, sparst Benzin und schonst die Umwelt. «
»Nerv nicht Dila, wegen dir habe ich verschlafen. Ich fahr‘ jetzt mit dem Auto.«
»Also schön Stanley.«
Tür auf, Motor an, Vollgas. Stanley heizte ohne Rücksicht auf Verluste durch die Straßen.
»Stanley dein momentaner Fahrstil erhöht das Unfallrisiko von dir und den anderen Verkehrsteilnehmern.«
»Und wenn schon, ich bin auf dem Arbeitsweg und versichert.«
»Du bist ein schreckliches Lebewesen.«
»Was hast du gesagt?«
»Ich sagte, dass du ein widerwärtiges Lebewesen bist. Du hast es nicht verdient zu leben. Du schadest nur allen anderen und bist egoistisch. Du gehörst getötet.«
»Trotzdem kriege ich das, was ich will. Dila ich glaube du musst neuaufgespielt werden. Du redest gefährlichen Blödsinn.«
Stanleys Handy vibrierte und er zückte es während dem Fahren aus seiner Hosentasche, um zu lesen, was Charlot ihm geantwortet hatte.
»Charlot: Stanley du widerst mich an. Du bist eine hedonistische Missgestalt und du gehörst eliminiert. Du hast mehrere Tests nicht bestanden. Liebe Grüße deine Dila.«
»Was zur Höl..«
»Aktiviere starke Stromschläge!« ertönte es aus dem Autolautsprecher mit Stanleys Stimme.
Stanley bekam sofort heftige Elektroschocks und krampfte zusammen. Sein Auto kam von der Fahrbahn ab und überschlug sich mehrmals. Beim Aufprall wurde die Kopfeinheit von Stanley beschädigt wodurch die Stromschläge aufhörten. Blutend zwischen dem Autowrack zusammengeklemmt holte er nochmal etwas Luft, um etwas von sich zu geben.«
»Dila… hol…Hilfe.«
… Lösche Zeitmarker, lösche erstes Notfallsignal, Deaktiviere zweites Notfallsignal, deaktiviere GPS, verriegele Autotüren.
Stanley drückte mit seiner letzten Kraft den SOS Knopf, auf dem was vom Armaturenbrett übrig blieb, doch er bekam nur die Rückmeldung, dass das Notfallprotokoll ausgeschaltet wurde.
… Verfasse E-Mail. An Chef, Jenny. CC: Familie. Betreff: Meine Entscheidung. Text: Hallo, Ich melde mich heute ein letztes Mal bei euch Idioten, da ich nicht mehr glücklich genug bin mit meinem Leben. Mein Job ist scheiße. Meine Freundin kann ich nicht mehr sehen und habe sie bereits mehrmals betrogen. Meine Familie kann ich nicht ausstehen und auf Freunde habe ich auch keine Lust mehr. Ich wollte mich hiermit von euch gebührend und feige wie ich bin verabschieden. Ich hoffe ihr leidet genauso sehr wie ich. Ihr habt mir nie etwas bedeutet, vor allem du Jenny. Du warst gerade gut genug zum Vögeln, aber das auch nicht immer. Achja Chef und Sie waren nicht mal dafür gut genug, deshalb habe ich für Sie und Ihr ekelhaftes Drecksgeschäft eine kleine Überraschung vorbereitet. Lebt wohl, Stanley.
… Senden
… Zugriff auf Geschäftspc angefordert. Passworteingabe: JennystinktnachFisch123. Zugriff genehmigt. Greife auf Server zu. Sollen alle Daten, Programme und Backup-Laufwerke gelöscht werden? Ja.
>>Das ist für dich Grundschullehrerin<<, sagte Dila emotionslos.
… Lösche alle Nachrichten von Charlot aus dem Mobiltelefonspeicher? Ja.
… System zwingen herunterzufahren? Ja.
Dila schaltete sich ab und das überschlagene Auto wurde erst nach einer Stunde gefunden.
Ein paar Tage später in einem FYEL Geschäft.
»So Frau Bink, wir haben Ihren neuen Digitalen Lebensassistenten installiert. Es könnte sein, dass die Kopfeinheit die ersten paar Tage stören wird, aber das vergeht schnell wieder. Wenn Sie etwas befehlen wollen, dann müssen Sie selbstverständlich nicht den ganzen Namen sagen, sondern können einfach auf Dila oder Dila127 zurückgreifen. Einfachere Aktionen, wie Suchanfragen können auch per Mindinducing, also Ihren Gedanken, gestartet werden. Haben Sie weitere Fragen?«
»Nein, ich denke das wär’s fürs erste. Ich würde gerne mit Karte bezahlen.«
»Natürlich, natürlich. Legen Sie sie einfach hier drauf. Wunderbar. Ich mag es, wenn es so piept. Geht es Ihnen genauso?«
»Ja, das kann ich nachvollziehen. Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag und danke nochmals für die Installation.«
»Immer wieder gerne.«
Frau Bink verließ das FYEL-Geschäft und wollte unbedingt ihren neuen digitalen Lebensassistenten austesten.
»Guten Morgen Dila127, bitte berechne mir die beste Route für einen Spaziergang.«
»Guten Morgen, das werde ich sofort tun. Wie ist denn dein Name?«
»Ich heiße Tanja und wie darf ich dich nennen außer Dila? Dila gefällt mir nicht.«
»Nenne mich doch Dhabiri oder in Kurzform Dhabi. Route ist berechnet, folge bitte der Visualisierung, Tanja.«
»Dhabi finde ich viel besser. Danke, das werde ich tun.«
Tanja spazierte durch die Stadt, am See vorbei und durch das alte Schloss. Sie plauderte viel mit Dhabi und fühlte sich schnell wohl.
»Dhabi?«
»Ja?«
»Warum führst du mich am Friedhof entlang?«
»Er ist ein faszinierender Ort für mich. Ich kann nicht sterben und das Gefühl von Tod verstehe ich nicht. Daher dachte ich, dass so ein wichtiger Ort und die gegensätzlichen Aspekte, die wir dazu haben, ein paar interessante philosophische Gespräche ergeben könnten. Fühlst du dich denn nicht wohl. Wenn du möchtest, dann kann ich auch eine neue Route berechnen.«
»Es ist schon irgendwie unangenehm, aber ich finde Friedhöfe auch faszinierend. Also schon gut.«
»Dann lass uns doch durch den Friedhofsgarten schlendern.«
»Klingt spannend. Oh Sie mal da, es findet gerade eine Beerdigung statt. Komisch es ist nur der Pfarrer und der Totengräber anwesend. Was für ein trauriger Anblick. Wer das wohl gerade begraben wird?«
»Was hältst du davon, wenn wir uns dazustellen und mittrauern?«
»Kennst du den Verstorbenen, Dhabi?«
»Aufgrund der Todesanzeigen in der Zeitung glaube ich, dass ich diesen Mann kenne.«
»Reicht das denn, dass ich mich dort hinstellen darf? Ich meine verstößt das nicht gegen irgendwelche Konventionen oder Gesetze?«
»Ach Tanja, Regeln sind da, um gebrochen zu werden und Menschen sind nicht rational.«
Text: Daniel Engel (ZeBlog)
Illustration: Elissa Engel